Der Glanz des Mondes
Sohn in Hagi. Raku war mein Geschenk an Kaede gewesen, als ich nichts anderes besessen hatte, das ich ihr hätte schenken können, und er hatte sie nach Terayama gebracht.
Ich hatte alle anderen fortgeschickt, um unter vier Augen mit Hiroshi sprechen zu können, und ließ ihn jetzt etwas näher rücken.
»Versprich mir, dass du niemandem sagen wirst, worüber wir nun reden werden.«
»Ich schwöre es«, sagte er und fügte aufgewühlt hinzu: »Lord Otori, ich schulde Ihnen bereits mein Leben. Ich werde alles tun, um Ihnen zu helfen, Lady Otori zu befreien.«
»Wir werden sie befreien«, sagte ich. »Morgen breche ich auf.«
»Nehmen Sie mich mit!«, bettelte er.
Ich war nicht abgeneigt, hatte aber den Eindruck, dass es ihm noch nicht gut genug ging. »Nein, du musst hier bleiben.«
Er machte Anstalten zu protestieren, besann sich dann aber eines Besseren und biss sich auf die Lippen.
»Die Schriften, die meine Frau kopierte - hat sie sie mitgenommen?«
Er flüsterte: »Wir nahmen sowohl die Originale als auch die Kopien mit und versteckten sie in Shirakawa, in den Heiligen Höhlen.«
Innerlich pries ich Kaede für ihre weise Voraussicht. »Weiß sonst noch jemand davon?«
Er schüttelte den Kopf.
»Und du könntest sie wiederfinden?«
»Natürlich.«
»Du darfst nie irgendjemandem sagen, wo sie sich befinden. Eines Tages werden wir zusammen dorthin reisen, um sie zurückzuholen.«
»Dann können wir Shoji bestrafen«, sagte er rachedurstig und fügte nach einer Weile hinzu: »Lord Otori, darf ich Sie etwas fragen?«
»Gewiss.«
»Damals, als mein Vater starb, machten die beiden Männer, die die Grenzwächter töteten, sich irgendwie unsichtbar. Können Sie das auch?«
»Weshalb fragst du? Glaubst du, dass ich es kann?«
»Vergeben Sie mir, aber die beiden Frauen, die heute mit Ihnen in meinem Zimmer waren, halten Sie für einen Zauberer. Aber Sie können ja viele ungewöhnliche Dinge, mich in Schlaf versetzen zum Beispiel.« Er blickte mich fragend an. »Es war kein gewöhnlicher Schlaf. Ich hatte heftige Träume und verstand plötzlich Dinge, von denen ich nie etwas gewusst hatte. Falls Sie in der Lage sind, sich unsichtbar zu machen - könnten Sie es mir nicht beibringen?«
»Manche Dinge sind nicht erlernbar«, sagte ich. »Es sind Fähigkeiten, die einem angeboren sind. Du besitzt bereits sehr viele Talente und hast die beste aller Erziehungen genossen.«
Etwas, was ich gesagt hatte, ließ ihm plötzlich die Tränen in die Augen schießen. »Man hat mir gesagt, Jiro sei tot.«
»Ja, er wurde von einem Attentäter ermordet, der eigentlich mich treffen wollte.«
»Und Sie haben den Attentäter getötet?«
»Ich hatte seinen Tod bereits beschlossen, aber er starb vorher. Er biss sich selbst die Zunge ab.«
Hiroshis Augen funkelten. Ich wollte ihm etwas über meinen Kummer bei Hajimes und Jiros Tod erzählen, von meiner Abscheu vor dem endlosen Kreislauf von Blutvergießen und Rache, aber ich glaubte nicht, dass ein Kriegersohn wie er diese Dinge begreifen konnte, nicht einmal nach dem Kikutaschlaf, und es gab noch etwas anderes, das ich von ihm wissen wollte.
»Halten mich denn viele für einen Zauberer?«
»Manche reden hinter vorgehaltener Hand darüber«, gab er zu. »Meistens Frauen. Oder Idioten.«
»Ich fürchte, dass manche hier im Schloss vielleicht nicht loyal sind. Deswegen möchte ich dich hier lassen. Wenn du die geringste Gefahr siehst, dass Maruyama sich in meiner Abwesenheit auf Arais Seite schlagen könnte, dann lasse es mich wissen.«
Hiroshi starrte mich an. »Niemand hier könnte Lord Otori jemals die Gefolgschaft verweigern.«
»Ich wünschte, ich könnte mir dessen so sicher sein wie du.«
»Ich werde selbst reiten und Sie suchen«, versprach er.
»Pass nur auf, dass du ein ruhiges Pferd erwischst«, ermahnte ich ihn.
Ich schickte ihn zurück zum Haus seines Onkels und ließ mir etwas zu essen bringen. Makoto kam und berichtete mir über den Stand der Vorbereitungen; alles war bereit für unsere Abreise am frühen Morgen. Dennoch versuchte er nach dem Essen wieder, mich von meinen Plänen abzubringen.
»Es ist vollkommen verrückt«, sagte er. »Ich sage nach dem heutigen Abend nichts mehr dazu und ich werde mit dir gehen, aber einen Edelmann anzugreifen, dem du die Verlobte genommen hast…«
»Wir haben rechtmäßig geheiratet«, sagte ich. »Wenn jemand etwas Verrücktes getan hat, dann er…«
»Habe ich dich in Terayama nicht gewarnt, wie eine solche
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