Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
nach Hause kommt, und wir sind nicht da? Er wird wahrscheinlich eine Suchpatrouille losschicken.«
»Aber er muss doch wissen, dass Gail sehr krank ist«, sagte Lyle.
»Ja, er weiß, dass Sie kommen wollten, aber er hat gedacht, Sie würden Gail Medizin dalassen, damit sie wieder gesund wird.«
»In ihrem Zustand darf ich sie nicht hierlassen«, erklärte Lyle. Er hoffte, Jean würde verstehen, dass Gails Leben in Gefahr war.
»Muss sie denn tatsächlich ins Krankenhaus?«, fragte Jean.
Lyle nickte. Er begriff nicht, was Jeans Dilemma war, doch Alison schien eine Ahnung zu haben.
»Haben Sie noch mehr Kinder?«, fragte sie und sah sich um.
Die junge Pilotin vermutete darin das Problem, aber im Haus war es ganz still. Das einzige Geräusch, das man hörte, waren das Surren des kleinen Ventilators, der auf Gail gerichtet war, und das Brummen der Schmeißfliegen vor den Fenstern.
»Ich habe noch einen Sohn, aber der ist nicht hier. Er ist draußen beim Viehtreiben mit meinem Mann. Es ist ja nur, dass Clive es nicht mag, wenn ich mich zu weit von der Farm entferne, nur für den Fall, dass etwas passiert.« Einmal war sie ein paar Hundert Meter vom Haus entfernt gestürzt und hatte sich den Rücken verletzt. Damals hatte Gail gerade angefangen zu laufen und war stundenlang allein im Haus gewesen. Das war für sie alle ein großer Schreck gewesen. »Manchmal ist er tagelang unterwegs, aber wenn ihm da draußen was passiert und ich ihn nicht als vermisst melde, kann das für ihn eine Frage von Leben oder Tod sein.«
»Wir müssen Gail ins Krankenhaus bringen, Mrs. Gaffney, und zwar jetzt sofort. Wenn Sie hierbleiben müssen, kann ich das nicht ändern.«
»Wann soll Ihr Mann denn wieder zurück sein?«, fragte Alison.
»Am späten Nachmittag«, antwortete Jean.
»Sie könnten ihm eine Nachricht hinterlassen. Schreiben Sie, dass wir Sie und Gail mitgenommen haben«, schlug Alison vor. »Und heute Abend rufen Sie Clive vom Krankenhaus über Funk an, um sich davon zu überzeugen, dass es ihm gut geht.«
»Clive kann nicht sonderlich gut lesen«, gestand Jean und wurde rot.
»Und kann Ihr Sohn lesen?«
»Ja, ein bisschen. Er hat nie gern für die Schule gelernt, und hier draußen scheint das auch kaum wichtig zu sein. Er wird Farmer wie sein Vater, da hat er Lebensnotwendigeres zu lernen als Schreiben und Lesen.« Sie überlegte einen Moment. »Wenn wir mit Ihnen fliegen, wie kommen wir dann zurück nach Hause, wenn Gail wieder gesund ist? Clive wird keine Zeit haben, den ganzen Weg nach Cloncurry zu fahren. Er muss das Vieh für den Markt zusammentreiben.«
»Wir bringen Sie zurück, sobald wir Gails Zustand unter Kontrolle haben«, sagte Lyle.
»Oh, danke. Das ist wunderbar, Herr Doktor«, sagte Jean. Plötzlich fand sie, es könne nett sein, einmal für eine Weile in eine andere Umgebung zu kommen, außerdem sorgte sie sich natürlich um ihre Tochter. »Was werde ich denn mitnehmen müssen?«
»Sie werden wahrscheinlich ein paar Tage in Cloncurry bleiben müssen, mehr als einige Kleidungsstücke für Gail und für Sie selbst werden also nicht nötig sein«, sagte Lyle.
Schließlich half Alison der Farmersfrau, eine Nachricht zu schreiben, die so schlicht war, dass ihr Sohn sie würde lesen können, aber für den Fall, dass es doch schwierig würde, malte sie ein Flugzeug und ein Krankenhausgebäude, und dann machten sie sich auf den Weg.
Im Laufe der nächsten Wochen sorgte Alison dafür, in Cloncurry heimisch zu werden. Sie trat dem Tennisteam der Frauen bei und dem Schwimmclub der Stadt, der zweimal in der Woche abends im örtlichen Schwimmbad zusammenkam. Gelegentlich spielte sie mit den Frauen Karten, natürlich um Geld, oder sie besuchte eine Rodeoveranstaltung, das war jedes Mal ein großes Ereignis. Es machte Alison viel Spaß, auch wenn sie Lyle nicht dazu bringen konnte, sich ihr anzuschließen. Nicht, dass sie eine Begleitung gebraucht hätte. Sie war selbstbewusst genug, allein oder in Gesellschaft ihrer neuen Freunde ihre freie Zeit zu gestalten, aber sie hätte es einfach nett gefunden, ihn das eine oder andere Mal dabeizuhaben.
Lyle war von Natur aus weniger kommunikativ. Hatte er etwas Freizeit, besuchte er Patienten im Hospital von Cloncurry. Und war er nicht dort, kümmerte er sich um die Ureinwohner. Er stellte fest, dass die Aborigines etliche gesundheitliche Probleme hatten, die sich nur bei ihnen häuften, wie etwa grüner Star und bestimmte Nierenerkrankungen, und er vertiefte sich
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