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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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gelblich gekachelten Wänden abgetrennten Verschlag noch ein paar Minuten allein sein konnte. Wie gut, sagte ich mir, dass ich ihnen diesmal wenigstens nichts von Petru erzählt habe. Zweifellos dachten sie, es sei alles schon aus gewesen, ehe ich in die Ferien fuhr, das Ende erschien ihnen logisch und vorhersehbar, und das ließen sie mich durch die Zurückhaltung, mit der sie mich vor jeder Verabredung musterten, auch weidlich spüren. Er ist halt nicht aus unserer Welt … Sie sahen mich an, als trüge ich etwas auffallend Geschmackloses, und sie schwankten, ob sie mich schonen und schweigen sollten oder es darauf ankommen lassen konnten, um mich davor zu bewahren, dass ich mich weiterhin in den Augen Fremder lächerlich machte.
    So ist es eben, sagte ich mir, aus unerfindlichem Grund werden die Liebesgeschichten einer jeden von uns, von außen betrachtet, zu etwas Anderem, Gewöhnlichem, Mittelmäßigem und vor allem Zweifelhaftem. Doch sie ahnten nicht, dass mir jetzt schon ein einfaches, unbedeutendes Zeichen ausgereicht hätte wie dasjenige, das ich an diesem Morgen hätte herausfordern können, das ich aber immer weiter hinauszögerte. Und zwar die paar Stufen bis zum öffentlichen Telefon an der Theke des Pförtners hinabzugehen und halblaut, damit dieser und die Mädchen, die jederzeit vorbeikommen konnten, nichts mitbekamen, und mit der einen Hand am freien Ohr, damit ich ihr Gelächter und das ständige Krachen der Eingangstür nicht hörte, noch einmal zu versuchen, ob ich seine vertraute Stimme zu hören bekam. Die nur sagen sollte: »Ja …«
    Nur so viel.
    *
    Als ich wieder von meinen Notizen aufsah, zupfte Marilena vor dem Fenster ihren Morgenrock zurecht und raffte ihn mit dem Gürtel etwas höher. »Das ist ja eine Sauerei, ich hol den Techniker«, sagte sie.
    Â»Das bringt nichts«, grinste Didi. »In der Stadt gibt’s auch noch keine Fernheizung, das ist eine Anweisung, bis zum fünfzehnten …«
    Â»Wenn es nach dir geht, sitzt du den ganzen Winter in der Kälte, wenn du dich nur nicht rühren musst …«, keifte Marilena, ging hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
    Ich weiß nicht, welche von ihnen dann merkte, dass es halb zwölf war, also begannen sie sich für den Kantinengang zurechtzumachen, wobei sie die Schranktüren abwechselnd auf- und zuklappten.
    Auch ich tastete mit steifen Füßen nach den Pantoffeln unterm Bett.
    Â»Mit euch gibt’s kein Arbeiten in diesem Haus …«, zitierte ich Onkel Ion.
    Â»Jetzt hat’s dich also wieder erwischt«, brummte Domnica, während sie ihre Strümpfe anzog, »das ist immer so mit der, wenn wir zum Essen gehen sollen oder das Licht ausmachen – dann packt sie die Lust zu lesen …«
    *
    Erst hier allein im Bügelzimmer, in diesem Raum, der so eng war, dass man nicht einmal die Kälte wahrnahm, nur noch den Geruch nach versengter Decke und Spiegeleiern und stickiger Luft, der sich nie verzog, war ich langsam so weit, dass ich verstand, was ich las.
    Â»Schau sie dir bloß an, wie die auf dem Tisch sitzt – so liest du?«, lachte sie.
    Ich zog meine Beine ein, während sie ihren Teller mit drei säuberlich geschälten Kartoffeln abstellte. Flink bückte sie sich, um den Elektrokocher an einer der Steckdosen anzuschließen, unter denen sich braune und schwarze Brandmale auf dem Parkett abzeichneten.
    Â»Auf unserer Etage funktioniert keine«, erklärte sie mir vertrauensselig und schüttete Öl aus dem Fläschchen, auf dem noch das Etikett vom Hustensirup klebte.
    Ich wusste nicht, wie sie hieß, aber ich wusste, dass sie ihre Essensmarken fast jeden Monat verkaufte und mit einem von der Mathematik ging, einem mit Geheimratsecken, der sie spätabends aus dem Lesesaal rufen ließ, wo sie mit vor Staunen halb offenem Mund, hängender Unterlippe und Lockenwicklern unter einem blau gepunkteten Kopftuch über ihrem Buch saß.
    Â»Wieso bringst du dir nicht einen Stuhl aus dem Zimmer mit?«, redete sie weiter, wobei sie Kartoffelspalten schnitt und sie in das Pfännchen mit mittlerweile zischendem und die Wände bespritzendem Öl legte, das alles mit einer Umständlichkeit, als hätte sie für eine fünfköpfige Familie zu kochen.
    Zu zweit saßen wir da, draußen gab es den Regen, der nicht zu sehen war, sondern nur den Himmel

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