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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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selbst zusammen.«
    Ich wusste, dass es nicht so war, aber ich sagte nichts, ich schwieg und fand es besser, als wenn er sonst etwas gesagt hätte. Manchmal traf ich Jeni noch zufällig, dann gingen wir zusammen einen Kaffee trinken und sprachen über die Mitschüler, die Lehrer und die Feten in der Stadt. Dann zahlte jede ihren Teil, und wenn wir aufstanden und gingen, versuchte ich zwar, nicht mehr daran zu denken, aber lieber wäre es mir gewesen, ich hätte ihr nichts erzählt, nie.

Kapitel VI
    D er junge Vermieter war mir verhasst. Ich verabscheute Onkel Ions ängstliche Nachgiebigkeit ihm gegenüber, dabei grüßte ich ihn, wenn ich ihn im Flur traf, selber mit einem verzagten Lächeln. Er schien mich kaum zu beachten, schnippte im Vorübergehen mit den Fingern oder sog sich mit einem plötzlichen Zucken der Mundwinkel Speisereste aus den Zahnlücken. Vor Verlegenheit verkrampften sich meine Gesichtsmuskeln, ich hasste mein weiches Lächeln und meine feuchtkalten Hände, die ich mir noch nicht mit meiner Furcht vor dem Aufbegehren zu erklären vermochte. Ich kam mir wieder fahrig und unbeholfen vor wie in den letzten Jahren, und die Dinge hatten es darauf angelegt, mir aus der Hand zu fallen und auf dem Fußboden in Stücke zu gehen.
    Abends im Bett zog ich mir die drei Decken über den Kopf, dazu noch, als häuslich vereinnahmtes Überbleibsel aus dem Krieg, die raue und schwere Felddecke, auf der wir die Wäsche bügelten. In jenem langen Winter gab ich die Felddecke weiter an Onkel Ion, denn der schlief am Fenster und ächzte abends schwer unter rheumatischen und arthritischen Schmerzen. Aus dem immer noch beleuchteten Flur hörte man, wie der junge Vermieter seine Frau beschimpfte.
    Â»Er hat wieder getrunken«, sagte Mutter.
    Manchmal gab es auch dumpfe Schläge und zwischendurch die schrillen Schreie von Cornelia.
    Â»Hat aber auch gar kein Glück, das Mädchen …«, sagte Onkel Ion mit hängendem Kopf, während er seine Zigarette ausdrückte.
    Â»Misch dich bloß nicht wieder ein«, fiel ihm Mutter ins Wort. »Mal prügeln sie sich, mal versöhnen sie sich, und am Ende bist du der Dumme …«
    Sie war an die Tür gegangen und horchte, ohne dass sie durch das ausgebleichte blaue Papier, mit dem die Scheiben verklebt waren, etwas hätte sehen können.
    Â»So geht das, wenn man sich nicht vorsieht zur rechten Zeit …«, flüsterte sie und ging hinter den Wandschirm in der Ecke, um sich auszuziehen.
    Â»Du kennst dich ja besser aus mit diesen Dingen …«, sagte der Onkel.
    Mutter musste das Grinsen an seiner Stimme gespürt haben.
    Â»Ich bin weggegangen, und ich hatte weniger Grund dazu als die hier«, sagte sie hinter dem Wandschirm hervortretend. »Wenn seine Sippschaft nicht gewesen wäre …«
    Plötzlich funkelten ihre Augen, und ich wusste nicht, ob es Tränen waren oder ob sie seinem Blick standhielt.
    Â»Die wenigsten sind dazu in der Lage«, lenkte er ein.
    Dann legte sich Mutter aufs Bett und tastete mit fahrigen Händen nach dem Schalter der Nachttischlampe. »Als Cornelia geheiratet hat, da hat sie sich wer weiß was eingebildet …«, erinnerte sie sich, und ihre Stimme klang plötzlich bitter. »Und hat erwartet, dass ich sie grüße, dabei kenne ich sie, seit sie mit LetiÅ£ia spielen kam und nicht einmal ein Höschen anhatte, geh, Cornelia, zu deiner Mutter, habe ich gesagt, und sag ihr, sie soll dir ein Höschen anziehen.«
    *
    Der Zaun war mit Stacheldraht bewehrt, wir aber krochen unten durch, wo die Bretter schadhaft waren. Zwischen den Beeten mit aufgeplatzten Kohlköpfen wucherten Quecken, und der verwilderte Dill streute uns Samen ins Haar. Es roch nach später Sonne und nach Erde, als ich zwischen den schmächtigen Pflaumenbäumen durch den Garten hinüberlief. Um den knotigen Stamm des Apfelbaums waren Mist und Stroh angehäuft. Dort ging unser Hof nahtlos in den ihren über, und ich schlich mich an den Wänden entlang zu ihnen.
    Â»Keine Angst, die sind angebunden«, rief Cornelia.
    Allerdings zerrten die zottigen Hunde mit vom Bellen blau angelaufenen Lefzen heftig an ihren klirrenden Ketten, die an den Wäscheleinen entlangrasselten. Ich flüchtete mich hinter die Tür, wo man sich die Schuhe auszog, und mit einem Blick auf die ausgetretenen Paare auf der Türschwelle konnte

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