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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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einem fort und blieben ab und zu kichernd stehen, dann fiel Cornelia plötzlich wieder ein, dass sie die Braut war, und mit zwei Fingern lüpfte sie die Schöße ihres Kleides, um damit nicht den Boden zu fegen, worauf die andere sich beeilte, den Strass wieder in Ordnung zu bringen. Über den Nachbarzaun sahen zwei Mädchen ihnen zu und bohrten in der Nase, während der Kerzengießer an einer Ecke des Tisches pausenlos mit dem Schwiegersohn und zwei Brautjunkern in geliehenen schwarzen Anzügen anstieß. Den einen kannte ich, es war der junge Lehrling. Sie waren seit dem frühen Morgen dran und schon gut dabei, und mit einem Mal schnippte der Kerzengießer, Cornelias Vater, mit den Fingern in Richtung der Combo, die ihn zweitausend Lei gekostet hatte. Sein weißes Hemd war schweißgetränkt, sein Gesicht blaurot angelaufen. Er sang so laut, dass man es bis zur Kirche im Tal hörte: Wenn da noch ein Andrer waaar, soll sie gehn mit Haut und Haaar … Ach, ojeh, die Schönste ist nur schön, wenn sie am Leben ist … Weiter wusste er den Text nicht, er stockte, sah sich verdattert um, und alle begannen zu lachen.
    Es war eine Hochzeit mit einem reichen Gabentisch, und Mutter legte die Hunderter, die vom Darlehen für Holz aus dem Sommer übrig waren, nach dem Essen auf einen sauberen Teller.
    Â»Vom Paten fünftausend und ein Sofa für die Braut …«, verkündete der Musikant, und alle lachten und klatschten, und die Frauen, in enge Glitzerkleider gezwängt, kicherten in ihre Ausschnitte und klatschten unterm Tisch ihre kurzen dicken Schenkel zusammen.
    Ein hagerer Ziegeleiarbeiter tanzte mit mir und führte mich mit überlangen Schritten langsam zum Tor. Der Hof unter dem welkenden Blattwerk der Laube war ausgiebig gewässert worden, so dass ich immer wieder aus dem Takt geriet, weil ich den kleinen Wasserlachen und samtweichen Morasthäufchen auszuweichen versuchte.
    Â»Ich hatte kein Glück, Fräulein«, sagte er, »darum habe ich noch nicht geheiratet …« Seine Gesichtshaut war von Poren durchlöchert wie von Blatternarben. Er war dreimal so alt wie ich, und ich war fünfzehn. »Die ich wollte, haben mich nicht geliebt, und die, mit denen ich gekonnt hätte, haben mir nicht gefallen …«
    Gern hätte ich Mitleid mit ihm gehabt, dabei tat mir nur der Nacken weh, wenn ich zu ihm hochsah und seinen Blick suchte. Er starrte mich mit funkelnden Augen an, und seine feuchte Hand, die meinen Arm im Griff hielt, zuckte unmerklich. Als der Tanz vorüber war, schlich ich mich durchs Tor und ging zum Korso.
    *
    Ich stand am Ende des Korsos und hielt Ausschau nach Mihai oder Jeni. In zwei perfekt parallelen Schlangen bewegten sich die Menschen wie auf gegenläufigen Fließbändern, alle besorgt, dass keiner dem anderen auf die Hacken trat. Ihre wissenden Blicke begegneten sich, sie verständigten sich durch diskrete Zeichen, und mit etwas Mühe hätte man das dumpfe Scharren der aberhundert Füße als Klangteppich wahrnehmen können, der sich über alles breitete. Die Paare und die Mädchen gingen Arm in Arm, während die Jungs mit ostentativ gereckten Zigaretten ziellos umherschlenderten. Am Ende der Straße machten sie kehrt und gingen zurück. Die Prozession war in immergleicher rechtsdrehender Bewegung, die Arme blieben ineinander verhakt, wieder und wieder wurden die neuen Kleider und Schuhe hergezeigt und die gedankenverlorenen Gesichter. Sie gingen unter den Schildern der staatlichen Genossenschaften entlang, die über den Schaufenstern unbeleuchteter Läden mit ölgetränkten Bretterfußböden hingen; an zwei Kreuzungen beschleunigten die Mädchen den Schritt, weil sie anzügliche Kommentare befürchteten oder gar zu hören bekamen. Dort an den Handläufen des Haushaltswarenladens und der Buchhandlung Das Russische Buch lehnten rauchend die Jungs, die sich schon seit einem oder zwei Jahren um einen Studienplatz bewarben … Oder relegiert worden waren? Das Gerede darüber, was man alles nicht machen durfte, wenn man sein Leben nicht verscherzen wollte, war mir dermaßen wirr im Gedächtnis, dass die Jungs vor der Buchhandlung mich überhaupt nicht interessierten. Fast unmittelbar aufeinander folgten dann die beiden Kinos, Muncitorul (Der Arbeiter) und Vremuri Noi (Neue Zeiten), aus denen um sieben und um neun mit schweiß- und

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