Der Glucksbringer
zumal er etliche Leute von der Schauspielschule her kannte.
Die meiste Zeit stand Linda allein herum, während sich ihr Date in den schrillen Tumult stürzte. Vorübergehend kam sie ins Gespräch mit einem Mädchen namens Melanie, eine Illustratorin, die für eine Werbeagentur arbeitete. Sie hatte Ahnung von solchen Talentwettbewerben und erbot sich, Linda mit einer geschickten Präsentation ihrer Entwürfe zu unterstützen. Die beiden tauschten Telefonnummern aus, bevor ein bodygestylter Beau mit langen wilden Locken Melanie von ihr fortzerrte.
Um Mitternacht reichte es Linda. Sie war heiser, nachdem sie pausenlos die Musik und die anderen Gäste hatte überbrüllen müssen, zudem war das Büfett bescheiden – ein paar mickrige Häppchen, das war’s dann. Der Nachschub von Hochprozentigem hatte ganz offenbar
eine höhere Priorität. Sie hakte die Party unter »dumm gelaufen« ab und schob sich durch das Gewirr von leicht bekleideten Leibern zu Gary hinüber. Er hatte eine Alkoholfahne und schwankte kaum merklich, wie sie angewidert feststellte.
»Hi, Linda. Mann, super Party, was!«, lallte er mit schleppender Stimme. »Kann ich dir noch was hol’n, Schätzchen?«
»Nein danke. Ich möchte jetzt gehen. Ich muss nämlich morgen früh raus«, meinte sie. Was zwar nicht stimmte, ihn aber hoffentlich dazu bewog, sie schleunigst nach Hause zu bringen.
Er zog prompt eine Schnute. »Was? Jetzt schon? Die Party hat noch gar nich richtig angefang’n.« Er schlang einen Arm um ihre Taille und zog Linda an sich, drückte ihr einen feuchten Schmatzer auf den Nacken. »Nur noch’ne Stunde, ja? Dann fahr ich dich.«
In einer Stunde würde er sich kaum noch auf den Beinen halten, geschweige denn Auto fahren können. »Ich möchte aber jetzt gehen, Gary«, insistierte sie. »Wenn du noch hierbleiben willst, bitte, tu dir keinen Zwang an. Das ist okay für mich. Dann nehm ich mir eben ein Taxi nach Hause.«
Er blinzelte sie eulenartig träge an. »Das kann ich nich zulassen, Schätzchen. Ist nich gen’lemanlike,’ne Lady nich... nach Hause zu bring’n.« Er kämpfte mit einem Schluckauf. »Lass mir noch fünf Minuten. Will mich eben vom... Gastgeber verabschie’n.«
Die fünf Minuten dehnten sich zu einer halben Stunde, in der er noch ein paar weitere Gläser Bier tankte. Schließlich verfolgte Linda mit Skepsis, wie Gary durch das Treppenhaus und auf die Straße zu seinem Datsun-Sportwagen torkelte.
»Lass mich fahren, Gary«, erbot sie sich mit dem entsprechenden Nachdruck in der Stimme.
»Ich bin total nüchtern«, versicherte er großspurig. Er schaffte es nicht einmal, den Schlüssel in die Fahrertür zu stecken und aufzuschließen, und reichte ihr leise fluchend die Autoschlüssel. Grummelnd torkelte er zur Beifahrerseite. »Vielleicht besser, wenn du fährst«, knirschte er.
Die Fahrt von Bondi zum Centennial Park dauerte nach Mitternacht kaum zehn Minuten. Beide schwiegen, und Linda überlegte, ob er womöglich eingeschlafen war. Umso besser für sie. In seinem Zustand hätte er sowieso keinen vernünftigen Satz mehr herausgebracht.
Unversehens fiel ihr Tony ein. In den vergangenen Monaten hatte sie es bewusst vermieden, an ihn zu denken. Aber manchmal, so wie jetzt, wollte ihre Ratio einfach nicht kooperieren. Tony hätte sich bestimmt nicht so bescheuert benommen wie Gary. Ihr Begleiter hatte sie den ganzen Abend über wie Luft behandelt und sich volllaufen lassen. Dafür wäre Tony viel zu rücksichtsvoll gewesen. Sie hielt vor der Zufahrt zu ihrem Apartmenthaus und stellte den Motor ab, woraufhin Gary dummerweise wach wurde.
»Schon zu Hause? Scheiße, das ging aber flott.« Er drehte sich halb zu ihr, legte einen Arm lässig über die Rückenlehne und um ihre Schultern und streichelte mit der freien Hand ihr Knie. »Weißt du, du warst die geilste Braut auf der ganzen Fete.« Er neigte sich vor, drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Umschloss mit der Hand ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich. »Ey, komm schon, Linda, nich so prüde. Sei mal’n bisschen leidenschaftlicher.«
Als sie nicht reagierte und stocksteif dasaß, schloss sich seine Hand um ihren Nacken. Seine Lippen pressten sich auf ihre, nötigten ihr einen weiteren Kuss ab. Ob sie mitmachte oder nicht, schien ihm dabei gleichgültig, er interessierte sich ausschließlich für seine Libido. Sein Atem ging schwer, mit seinen Händen betatschte er hemmungslos ihren Körper. »Baby, du machst mich total an«, flüsterte er
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