Der goldene Greif
eigenen Sattel auf und laß dein Pferd hier. Es hat viele Strapazen durchgemacht und wird hier gute Pflege finden. So leid es mir tut, aber ich habe nun einmal verfügt, daß du noch heute aufbrechen mußt. Bei unserer Rückkehr wirst du alles finden, was du für de i ne weite Reise brauchst. Und dann müssen wir uns Lebewohl sagen.“
Auf dem Rückweg zum Schloß waren die drei Männer sehr schweigsam. Raigos Freude über den Hengst war von den Gedanken an das, was vor ihm lag, getrübt worden. Tamantes und Scharin schwiegen, weil sie Raigo gegenüber das Gefühl hatten, nicht genug für ihn getan zu haben, trotz des kostbaren Geschenks. Beso n ders Scharin fühlte sich unbehaglich. Sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl wehrte sich dagegen, daß Raigo nicht auf den Thron seiner Väter zurückkehren können sollte. Aber wiederum mußte er sich eingestehen, daß der Vater nicht anders hatte handeln können. Um die gedrückte Stimmung etwas aufz u lockern, fragte er Raigo daher:
„Hast du dir überlegt, wie du den Hengst nennen willst, Raigo? Wir haben ihm keinen N a men gegeben, da er nur sich selbst zu gehören schien. Aber nun hat er dich als seinen Herrn anerkannt, und darum solltest du ihm auch einen Namen geben. Nun, was meinst du?“
Raigo sah erstaunt auf. „Er hat noch keinen Namen, sagst du? Gerade hatte ich Euch fr a gen wollen, wie er heißt. Nun gut, so soll er Ahath heißen wie der warme Wind des Südens, der einmal sanft die Hügel umschmeichelt und dann wieder mit Ung e stüm über die Ebene fegt. Denn sein Schritt ist leicht wie die milde Brise eines Sommerabends, doch wenn er dahinjagt, gleicht er dem sichtbar gewordenen Atem Morians, des Gottes der Stürme.“
„Das ist ein trefflicher Name für dieses unvergleichliche Pferd“, sagte Tamantes, „und kein besserer könnte für es gefunden werden! Doch laßt uns nun eilen. Die Sonne steht fast im Mittag, und Raigo muß nun bald aufbrechen, sonst kann er die Bedingung nicht einhalten, die das Gesetz vorschreibt. Du weißt, Raigo, daß du i n nerhalb von drei Tagen die Grenze von Imaran überschritten haben mußt, und bis zur südlichen Grenze in Richtung auf die Fe l senberge ist es ein weiter Weg.“
Raigo nickte stumm, und die drei Männer trieben ihre Pferde an. Und schon eine Stunde später sahen ihm Tamantes und Scharin vom Schloßturm nach, bis die Gestalt des eins a men Reiters am Horizont immer kleiner wurde und schließlich im Dunst verschwand.
6. Der Lohn des Bösen
Cart hatte sein Pferd nicht geschont, und als er im ersten Licht des neuen Tages auf das Lager von Konias stieß, brach das Tier fast unter ihm zusammen. Zwischen den Zelten wal l ten noch die Morgennebel, und alles schien noch in tiefem Schlaf zu liegen. Bis auf das g e legentliche Schnauben oder Stampfen eines Pferdes drang kein Geräusch zu Cart, als er sich nun den ersten Zelten näherte.
„Halt!“ wurde er da angerufen. „Wer bist du, und was willst du hier zu dieser Stu n de?“
Zwei Wachen traten aus dem Schatten eines der Zelte. Cart sprang vom Pferd.
„Wichtige Nachricht von Prinz Lardar für den König!“ keuchte Cart. Die beiden Männer s a hen sich erstaunt an. Dann zuckte der eine die Achseln und schritt vor Cart her zum Zelt des Königs. Der andere setzte seine Wache fort.
Vor dem Eingang zu Konias Zelt, das sich nur durch seine Größe von den anderen unte r schied, standen zwei Garden, die bei der Annäherung der beiden Männer blitzschnell mit gekreuzten Lanzen den Zutritt verwehrten.
„Was wollt ihr?“ raunte der eine. „Der König schläft noch. Wenn ihr Botschaft bri n gen wollt, so kommt in einer Stunde wieder. Aber bis dahin entfernt euch, damit ihr Konias nicht weckt.“
Cart trat einen Schritt vor. „Ihr müßt den König sogar wecken, denn ich bringe Bo t schaft, die keinen Aufschub duldet. Geht also und meldet, daß ich wichtige Nac h richt von Prinz Lardar bringe!“
Der Leibwächter verzog das Gesicht zu einem Grinsen. „Eine Botschaft von Prinz Lardar wird wohl kaum so wichtig sein, daß ich mir dafür den Zorn von Konias zuziehen sollte! Wahrscheinlich braucht er wieder Geld, oder jemand hat ihn beleidigt und er will Beistand von seinem Vater. Das kann wohl warten, bis der König erwacht ist.“
„Dummkopf!“ schnappte Cart. „Wie willst du wissen, was wichtig ist?“ Seine Stimme wurde laut. „Melde mich sofort dem König, oder du wirst es
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