Der goldene Ring
Stadions entlangführte, rollten nur wenige Wagen, und es gab keine Fußgänger außer den fleißigen kleinen Affen.
Ehrerbietig half Stein Lady Dedra in den Wagen, ging dann herum auf die andere Seite und stieg ein.
»Wohin, Madam?« krächzte der Kutscher und kehrte widerstrebend ins Leben zurück.
»Redaktionshaus. Und zwar schnell!«
Der Kutscher peitschte das Helladotherium an, und es trabte los. Sie fuhren durch die Innenstadt und ihre westlichen Vororte. Dann erreichten sie die Straße, die auf den Berg hinaufführte. Muriah besaß keine Stadtmauer. Die natürliche Isolierung der Aven-Halbinsel wurde hier, im Süden, wo die Tanu am mächtigsten waren, als ausreichender Schutz erachtet. Dedra sprach nicht. Stein saß steif neben ihr und sah sie nicht an. Endlich, als sie ein gutes Stück oberhalb der Stadt waren, sagte die Frau: »Vor uns ist eine Quelle. Willst du mich anhalten lassen, damit ich mich säubern kann? Wenn ich das Gelände der Redakteure in diesem Zustand betrete, wird man Fragen stellen.«
Stein nickte, und sie gab dem Kutscher Anweisungen. Nach ein paar Minuten bogen sie auf einen in tiefem Schatten liegenden Seitenpfad ab. Irgendein Vogel rief Doink doink zwischen den Klippen. Aus dem gelben Kalkstein entsprang eine Quelle und fiel in ein dreischaliges Becken. Dem Helladotherium wurde erlaubt, aus der untersten Schale zu trinken. Dedra befahl dem Kutscher, das Tier an eine Stelle zu führen, wo es Blätter von dem dichten Unterholz fressen konnte. Sie badete ihr Gesicht in der mittleren Schale, zog einen kleinen Spiegel und einen goldenen Kamm hervor und reparierte ihre zerzauste Frisur. Der komplizierte Kopfputz war schlimm zerdrückt. Nach einem vergeblichen Versuch, ihn zurechtzubiegen, warf sie ihn in einen Abfallkorb.
»Soll sich irgendein Lumpensammler darüber freuen. Ich glaube, mit meinem Haar geht es jetzt, aber hoffentlich ist Tasha zu betrunken, um mein Kleid zu bemerken.«
»Kannst du sie daran hindern, daß sie unsere Gedanken liest?«
Dedra lachte bitter auf. »Ah! Du weißt nicht Bescheid Über unsere liebe Tasha-Bybar, frühere Anastasya Astaurova, die Hauptwohltäterin des Tanu-Zuchtplans. Keine Bange, Liebender. Sie hat Überhaupt keine Meta-Fähigkeiten! Den goldenen Ring hat sie ehrenhalber bekommen - als Zeichen der Tanu-Wertschätzung. Tasha ist die menschliche Gynäkologin, die den Fremden vor einigen sechzig Jahren als erste zeigte, wie man unsere Sterilisierung rückgängig machen kann. Jetzt gibt es natürlich rund ein Dutzend andere Metzger, die die Arbeit ebenso gut wie Tash verrichten, aber keiner ist so kompetent wie sie. Die Silbernen nimmt sie sich alle selbst vor. Hat buchstäblich ihre Finger drin.«
Ein Bild der Glockentänzerin entstand vor Steins mentalem Auge. »Ich habe ein paar gesehen«, murmelte er. »Aber das ist eine ganz andere Art von Verrücktheit!«
Dedra tauchte die hohle Hand in das oberste Becken der Quelle und trank. »Sie ist jetzt völlig wahnsinnig. Als sie die Auberge passierte, muß sie an der Grenze gestanden haben ... Verschon mich mit diesem altmodischen maskulinen Blick, Liebender. Ich halte sie ebenso wie du für eine Verräterin an der menschlichen Rasse. Aber was geschehen ist, ist geschehen. Die meisten von uns Frauen machen das Beste daraus.«
Stein schüttelte den Kopf. »Wie konnte sie so etwas tun?«
»Es steckt eine verrückte Art von Logik dahinter ... Wie gefällt dir für den Anfang frustrierte Mütterlichkeit? Da ist dieser Körper, der so fürchterlich sexy ist und keine Babies produzieren kann - warum also nicht stellvertretend Mutter werden? All diese vollkommen gesunden weiblichen Zeitreisenden könnten reizende Tanu-Kinderchen bekommen, wenn nur ein guter Onkel Doktor das Unheil gutmachte, das diese Gynäkologen in der Auberge mit ihren kleinen Laser-
Skalpellen angerichtet haben. Die Operation ist ziemlich kompliziert, weil Madames Leute irgendwelche Manipulationen unter den nach Nachwuchs lechzenden Frauen vorausgesehen haben müssen. Aber die liebe Tasha hat Ausdauer! Schließlich kriegt sie den Kniff heraus und gibt ihr Wissen an eine auserwählte Schar von Tanu-Studenten weiter. Und nun sind wir alle bereit, gepflügt und besät zu werden.«
»Wenn sie als Ärztin so ein As ist, warum läßt sie selbst sich dann nicht von einem ihrer Preis-Schüler operieren?«
»Ah! Das ist ja gerade die Tragödie, bei der man das Kotzen kriegen könnte. Innerhalb dieser üppigen weiblichen Formen mit den
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