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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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und zehn Sekunden später diesen unverzeihlichen Schnitzer zu einem riesigen juristischen Vorteil ummünzen wird. Als er seine Schuhe aushändigt, wird ihm klar, dass er damit zugleich jede Möglichkeit des sich Davonstehlens aufgibt. Man könnte sich durchaus nach einer halben Stunde oder so auf den Weg machen – »Ach, ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie mich noch brauchen, tut mir schrecklich leid« –, aber ohne seine Schuhe muss er an Ort und Stelle bleiben und die Sache durchstehen. Vielleicht will ein Teil von ihm auch in die Sache verstrickt werden. Joe Spork hat nur wenige Freunde, und er wird sich nicht von einem gestorbenen Freund distanzieren, nur weil ein böswilliger Mensch seine Anwesenheit am Tatort für einen Schuldbeweis halten könnte. Vor allem will er diesen speziellen Leichnam, wohlgesonnenes Mitglied der Ehrenwerten und Dauerhaften Bruderschaft der Bestatterzunft, nicht im Stich lassen. Ohne Zweifel wird Billys brüderlicher Orden auftauchen und ihm die Totenwache halten, aber bis es so weit ist, hat er nur Joe. Allein ist er und – wie Joe klar wird – schmerzlich einsam, und das ist kein Grund, dass man sich im Tod nicht um ihn kümmern sollte.
    »Spork, sagten Sie, Sir? Es-Pe-Oh-Er-Ka?«
    Detective Sergeant Patchkind ist ein Elf, ein freundlicher, munterer kleiner Mann mit einer hohen Stimme, der Joe bereits ein Foto seiner Nichten gezeigt hat. Genau das Richtige, wie DS Patchkind meint, um nach der unerfreulichen Erfahrung des Leichenfunds den Magen zu beruhigen und das Herz zu wärmen. Während Joe die Mädchen betrachtet und festgestellt hat, dass sie ein wenig wie Wiesel aussehen, sind ihm von DS Patchkind, nur für den leidigen Papierkram, einige unwichtige Fragen gestellt worden. Joe hat eine kurze Einschätzung davon abgegeben, wie es sich anfühlt, auf den toten Körper eines alten Kumpels zu treffen, und Detective Sergeant Patchkind hat Luft durch die Zähne gezogen und will sich nun gerade Blaumasken-Bryce zuwenden, als ihm noch etwas einfällt.
    »Und wie spät war es, Mr … Entschuldigung, wie war noch mal der Name?«
    Woraufhin er Mercers strenge Anordnung, sich zurückzuhalten, kurz vergisst, »Spork« sagt und sofort bemerkt, dass er ein Idiot ist.
    Nun, da Patchkind mit erwartungsvoller Miene zu ihm aufschaut, kann er nichts anderes tun, als nicken.
    Er nickt gar nicht wirklich. Er will es gerade tun – hat bereits eine Art »Los!«-Signal an seine Nackenmuskulatur entsandt –, als eine subtile Erschütterung den Raum verstummen lässt. Die Leute von der Forensik hören auf, miteinander zu plaudern, die Polizisten hören auf, mit den Füßen zu scharren. Joe, der noch nie an einer Jagd teilgenommen hat, stellt sich vor, dass dies die Stille ist, die in einem großen Wald herrscht, nachdem das erste Wild erlegt wurde. In diese Stille bricht eine höchst salbungsvolle, unangenehm vertraute Stimme, und Joe weiß sofort, dass sie ernsthaften Ärger ankündigt.
    »Du liebe Zeit, du liebe Zeit. Mr Spork, was tun Sie denn an einem derartig unangenehmen Ort? Nein, nein, beantworten Sie das nicht ohne Anwalt, Grundgütiger. Wir dürfen nicht Ihre von alters her gesicherten Rechte beschneiden, das wäre nicht richtig. Magna Charta und so weiter. Hallo, Detective Sergeant Patchkind, eine Freude, Sie wieder mal zu sehen. Wobei es natürlich bedauerlich ist, dass es in einem Haus des Todes stattfinden muss. Sie wissen ja selbst, was unser Beruf mit sich bringt: Wir treffen uns beinahe immer an deprimierenden Orten, nicht wahr?«
    »Ja, Sir«, sagt DS Patchkind neutral. »So ist das meistens.«
    »Nur einmal, Detective Sergeant, wie ich gerade erst heute Morgen zu meinem geschätzten Kollegen Mr Cummerbund gesagt habe, nur einmal wäre es doch nett, den charmanten Basil Patchkind in einem Pub zu treffen und mit ihm ein Glas Ale zu trinken. War es nicht so, Arvin?«
    Und da sind sie nun, und Joe begreift in diesem Moment, wie ausgesprochen binär sie sind: eine aufrechte, schmale Eins und eine runde Null, Seite an Seite.
    Arvin Cummerbund nickt. »So war es, Mr Titwhistle. Gerade heute Morgen.«
    »Und doch, Basil – es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich Sie Basil nenne? Ich möchte nicht unhöflich sein … vielen Dank, mein Lieber … ja, Freund Basil, ich fürchte, wir müssen Ihnen Mr Spork jetzt abnehmen. Er hat eine dringende Verabredung. Sie kann auf keinen Fall warten, und wenn er sie verpassen würde, wären die Folgen … nun, alle Arten von Chaos und Konfusion im

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