Der Grabritter (German Edition)
Baranow.« Kerner streckte Ferruccio seine Hand entgegen. Im Gesicht des Mannes verzog sich keine Miene. » Conte! … Conte Ferruccio Vigiani ist mein Name, und jetzt würde ich gerne wissen, wer Sie sind und was Sie hier tun.« Kerners Augen zogen sich leicht zusammen. Der Tonfall Ferrucios reizte ihn. »Wie ich schon sagte, mein Name ist Victor Baranow und ich bin auf Einladung Ihres Vaters und Ihrer Schwester hier.« Im gleichen Moment kam Bice zur Tür herein und strahlte über das ganze Gesicht. »Guten Morgen ihr zwei. Wie ich sehe, habt ihr euch schon bekannt gemacht. Bitte entschuldigt, aber ich musste mich noch um Papa kümmern.« Sie ging zu den beiden hinüber und gab ihrem Bruder einen Kuss auf die Wange. »Maria hat mir heute Morgen gesagt, dass du wieder hier bist. Das ist schön, dann kannst Du mit uns gemeinsam frühstücken und danach zeige ich dir, was Victor unserem Vater mitgebracht hat. Du wirst Augen machen.« Bice sah ihren Bruder fragend an.
Nichts hatte sich bei ihrer Begrüßung im Gesicht des Conte verändert. Immer noch sah er Kerner unverwandt an. »Was hatten Sie in meinem Arbeitszimmer zu suchen?«, fragte er unvermittelt. Bice trat ein Stück von ihrem Bruder zurück. »Ferruccio, Victor ist Gast in unserem Haus. Ist die Gastfreundschaft bei uns nichts mehr wert?«, fragte sie ärgerlich. »Außerdem kann ich es dir erklären. Am Tag nach seiner Ankunft hat Victor mich gesucht. Dabei ist er zufällig in dein Arbeitszimmer gegangen. Woher weißt du das überhaupt? Haben wir jetzt etwa schon Kameras hier im Haus, von denen ich nichts weiß?« Ferruccio wandte sich zu seiner Schwester. »Nein, Bice, aber die Visitenkarten in meiner Box waren verschoben. Niemand in diesem Haus geht an meinen Schreibtisch, und gesäubert wird dort nur auf meine ausdrückliche Anordnung. Das ist noch nie anders gewesen. Also Bice, sag mir, wer sonst außer Mr. Baranow an meinem Schreibtisch gewesen sein könnte.«
Kerner begann zu ahnen, warum Siegfried von Löwenberg ihn so eindringlich vor Ferruccio Vigiani gewarnt hatte. »Bitte entschuldigen Sie, Conte Vigiani. Sie haben recht. Es war meine unverzeihliche Neugier, die mich veranlasst hat Ihren Schreibtisch anzufassen. Es ist ein außergewöhnliches Stück, und als ich die Visitenkarten in der Box sah, wollte ich einfach nur sehen, wer an diesem inspirierenden Ort arbeitet. Ich habe mir wirklich nichts dabei gedacht. Ich hoffe, Sie nehmen meine Entschuldigung an.« Der Conte erwiderte nichts. Stattdessen wandte er sich weiter an Bice. »Tut mir leid, Schwesterherz, aber ich kann leider nicht mit dir frühstücken. Ich habe ein paar dringende Sachen vorzubereiten.« Nachdem er ihr einen flüchtigen Kuss gegeben hatte, ging der Conte hinaus und ließ seine Schwester zusammen mit Kerner am Fenster stehen. Bice warf ihm einen etwas ratlosen Blick zu. »Es tut mir wirklich sehr leid, Victor. Du musst ja inzwischen einen feinen Eindruck von unserer Familie gewonnen haben. Ich weiß nicht, was mit meinem Bruder los ist. Ein harter Geschäftsmann, das war er immer, aber so kenne ich ihn eigentlich nicht. Er ist im Moment schon fast besessen von seiner Arbeit. Ich glaube, dass ihn Vaters Krankheit sehr belastet. Alles ruht jetzt auf seinen Schultern und natürlich will er zeigen, dass er dieser Verantwortung gerecht wird.« Wie zu seiner Entschuldigung, lächelte Bice. »Lass uns frühstücken, Victor. Ich bin sicher, heute Abend kann man wieder vernünftig mit ihm reden.«
Nach dem Frühstück gingen sie hinüber zu dem Zimmer, wo das Expertenteam schon wieder damit begonnen hatte, seine Untersuchungen an dem Gemälde fortzusetzen. Nachdem die drei Männer Bice und Kerner kurz begrüßt und sich nach dem Befinden des Conte erkundigt hatten, fuhren sie mit ihrer Arbeit fort. Kerner war erleichtert. Noch bestand kein Zweifel an der Echtheit des Bildes. Nur, … wie lange noch? Irgendwann würde der Schwindel auffallen. Bis dahin musste er so viel wie nur irgendwie möglich herausgefunden haben.
Bice hängte sich bei ihm ein. »Sag mal Victor, kannst Du eigentlich schießen?«, fragte sie aus heiterem Himmel. Kerner sah sie fragend an. »Wie meinst du das? Meinst du mit Gewehren, Pistolen oder so?« Bice lachte. »Genau, … oder so. Ich meine Tontaubenschießen mit Schrot.« Kerner grinste. »Du willst mit mir Tontauben schießen? Ich glaube, ich treffe nicht einmal ein Scheunentor, wenn es zehn Meter vor mir ist.« Bice ließ sich von ihrer Idee
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