Der Grabritter (German Edition)
Plötzlich bemerkte er an einem Haken hinter der Tür eine Tasche. Es war seine eigene, die er in der Nacht bei sich getragen hatte. Sie enthielt noch alles, sogar sein Handy. Ferruccio musste sich sehr sicher gewesen sein, dass seinem Gorilla niemand entkommen konnte. Kerner nahm das Handy heraus und musste grienen. Der Akku war nicht leer und er hatte Empfang. Es schien fast so, als sollte Ferruccio Vigiani über seine eigene Arroganz stolpern. Er wählte die Nummer von Siegfried, dem Grabritter.
Sofort meldete sich am anderen Ende seine Stimme. »Gott sei Dank, Marcus. Seit Stunden warte ich auf deinen Anruf. Wir hatten uns ernste Sorgen gemacht. Als der Hubschrauber gelandet war, haben wir sofort angefangen, Vorbereitungen zu treffen, um das Gelände zu stürmen. Was ist da oben passiert?« Mit kurzen Sätzen erklärte Kerner Graf Siegfried das Wichtigste. Aber jetzt gab es ein Problem. Wie kam er hier weg? In dem Moment, in dem ihn die Wachen sehen und Alarm geben würden, wäre schnell eine kleine Armee hier. Kerners Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Irgendwie musste es ihm gelingen, die Wachen vom Jagdhaus abzulenken. Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Innerhalb von Sekunden fasste er einen tollkühnen Plan. Nachdem ihm der Grabritter mitgeteilt hatte, dass er sich immer noch mit zwei seiner Männer auf einem Boot direkt unterhalb des Felsvorsprungs befände, erklärte Kerner ihm genau, was er tun sollte. Suchend wanderte sein Blick wieder durch den Raum. Über einem Stuhl hing ein Stück Folie. Er steckte sein Handy in die Aktentasche, packte alles sorgfältig in die Folie ein und näherte sich wieder vorsichtig der Tür. Ein paar Minuten lang passierte nichts. Kerner wartete angespannt. Dann hörte er in einiger Entfernung einen Schuss, der vom See hoch schallte. Ein zweiter Schuss fiel und kurz darauf ein dritter. Vor dem Jagdhaus gab es auf einmal Bewegung. Vom Waldrand her lief der zweite Wachmann zum Landeplatz. Die beiden Männer unterhielten sich aufgeregt, wobei einer von ihnen immer wieder auf einen Abschnitt des Steilhanges zeigte, der ein Stück weiter unterhalb vom Jagdhaus lag. Die Männer liefen zu der Stelle und sahen hinunter. Das war der Moment, auf den Kerner gewartet hatte. Er drehte sich noch einmal kurz um. »Tacita, Jupiter, ihr habt was gut bei mir. Ich werd's nicht vergessen.« Er lief los. Mit mächtigen Sätzen überquerte er den Landeplatz und rannte auf die Klippen zu. Immer wieder sah er kurz zu den beiden Wachmännern, die auf der anderen Seite angelangt waren und angestrengt in die Tiefe blickten. Noch wenige Meter trennten ihn von dem steilen Abhang.
Kerner machte einen letzten Schritt und sprang mit einem kraftvollen Satz über die Klippe. Mit seinen Armen ruderte er wild, um das Gleichgewicht zu halten. Er wusste, wenn sein Sprung nicht weit genug wäre, würde er auf den Felsen landen und zerschmettert werden. Nach ein paar Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, schoss er wie eine Rakete ins Wasser. Der Aufprall war alles andere als weich, und Kerner verlor durch die starke Verwirbelung für einen Moment die Orientierung. Von irgendwoher drang Tageslicht zu ihm. Fest umklammerte er die Aktentasche und tauchte auf. Als sein Kopf die Wasseroberfläche erreichte, prustete er das Wasser aus seinem Mund. Tief ließ er die Luft in seine Lungen strömen. Dann sah er hoch. Er war ungefähr fünf Meter von der steilen, leicht überhängenden Klippe entfernt. Von oben konnte man unmöglich sehen, was sich so nahe am Felsen bewegte. Kerner hörte ein Motorgeräusch. Im Schutz der Felsen steuerte ein kleines Boot auf ihn zu. Der riesenhafte Grabritter stand im Boot und winkte ihm zu. Seitlich von Kerner stoppte das Boot, und die Männer zogen ihn an Bord. Graf Siegfried schlug ihm auf die Schulter und lachte. »Das war filmreif, mein Freund. Es sind bestimmt fast sechzig Meter bis da oben. Ich glaube, ich hätte mir bei dem Sprung in die Hosen ge macht .« Kerner lachte. »Na ja, ehrlich gesagt, hat da nicht viel gefehlt.« Einer der Männer hängte ihm eine Decke über. Dann fuhren sie im Schutz der steilen Hänge weiter. Als sie sicher waren, dass die Wachen sie nicht mehr ausmachen konnten, gingen sie an einem seichten Uferstreifen an Land. Die beiden Begleiter Graf Siegfrieds machten sich sofort auf den Weg, um einen Wagen und trockene Sachen für Kerner zu besorgen.
In der Nähe des Ufers setzte er sich zusammen mit dem Graf Siegfried ins Gras. Kerner nahm die
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