Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
ein für alle Mal zu vernichten, und wir ergriffen sie.«
Gerent glaubte nicht, dass er sich durch irgendeine Bewegung oder irgendeinen Laut bemerkbar gemacht hätte; aber das feingeschnittene Gesicht des Magiers wandte sich ihm zu, als hätte er etwas laut ausgerufen. Eisblasse Augen begegneten seinen, so distanziert wie der Winter.
»Wir dachten natürlich nicht in dieser Weise darüber nach«, erklärte der Magier. »Der König war auf eine neue Eroberung erpicht, und wir, na ja, wir sehnten uns danach, Casmantium von der Bedrohung durch das Feuer zu befreien. Jemand tüftelte einen Plan aus. Ich kann mich kaum noch erinnern, wessen Idee es anfänglich war. Aber ich sprach mich so stark dafür aus wie nur irgendwer.« Er schwieg einen Moment lang.
Gerent sagte nichts. Er atmete kaum.
»Wir überlegten uns, die Greifen aus ihrer Wüste zu vertreiben und über die Berge nach Farabiand zu jagen«, fuhr Beguchren schließlich fort. »Wir dachten, wir würden sie vor uns herjagen, einen Sturm aus Feuer und Wind, und dass wir auf ihrer Spur Farabiand abgelenkt und geschwächt anträfen. Dann hätte der König seine neue Provinz erhalten – oder falls es ihm nicht gelänge, dieses Ziel zu erreichen, war es uns auch egal. Wir glaubten, wir würden uns zu guter Letzt mit den Magiern Farabiands gegen die wenigen überlebenden Greifen zusammentun und sie völlig vernichten. Dann könnte das Land der Erde mit der Zeit das Land des Feuers überwältigen.« Er hielt erneut inne.
Eine Weile später, als der Magier noch immer schwieg, sagte Gerent leise: »Jeder weiß, dass etwas schiefgegangen ist. Ich habe jedoch nie mehr als Vermutungen gehört, was genau geschehen ist.«
Beguchrens Lippen kräuselten sich; das Lächeln drückte jedoch eher Spott aus als Humor. »Nichts ist schiefgegangen – zu Anfang jedenfalls. Wir drangen rasch und leise in die Wüste vor und griffen die Greifen in der Dunkelheit an. Wir nutzten die alten, bedächtigen Erinnerungen der schlafenden Erde. Wir erstickten Feuer mit dem Gewicht der Erde, breiteten vor uns und rings um uns eine mörderische Kälte aus, und sie vermochten uns keinen Widerstand zu leisten. In jenen ersten Augenblicken vernichteten wir fast alle Greifenmagier, alle außer einem. Anasakuse Sipiike Kairaithin, der größte aller Greifenmagier. Selbst er jedoch konnte unserer vereinigten Macht nicht standhalten. Die Greifen flohen nach Westen und Süden, genau wie wir geplant hatten, und wir spannen hinter ihnen ein Netz aus Frost über den Sand, um zu verhindern, dass ihr Feuer aufs Neue daraus entstünde ...
Es war jedoch kein Sieg ohne Opfer. Wir verloren Laithe. Sie hatte Haare wie eine Schneeverwehung, Augen, schwarz wie eine Mittwinternacht, und eine kalte, klare Macht wie das Herz des Winters. Wir verloren Ambreigan, den ältesten unter uns: Er war zu stolz und versuchte, sich allein gegen drei Greifenmagier zu stellen. Sieben von uns lebten jedoch noch, als der Tag anbrach, und wahrscheinlich war es ein freundlicherer Morgen, als ihn dieses Land je zuvor erlebt hatte. Obwohl wir trauerten, werteten wir den Ausgang des Kampfes als Sieg für uns und erklärten unseren Krieg für so gut wie gewonnen.« Er stockte.
Diesmal gab Gerent ihm kein Stichwort.
Eine Weile später fuhr der Magier jedoch schroff fort: »Dann entdeckten die Greifen in Farabiand eine Waffe, mit der keiner von uns gerechnet hätte. Ein Menschenmädchen: ein Mädchen, das gerade begann, zu seiner Macht als Magierin zu erwachen. Kes, Tochter von ... Tochter irgendeines Bauern in Farabiand, vermute ich. Wir kennen ihre Herkunft nicht, aber darauf kommt es auch nicht an. Sipiike Kairaithin fand sie, nahm sie mit und goss Feuer in sie hinein. Er korrumpierte die Zaubergabe in ihr, ehe sie erwachen konnte.«
»Er hat aus ihr einen Greifen gemacht?«, rief Gerent aus. Doch im nächsten Augenblick fürchtete er, dass Beguchren vielleicht aufhörte zu erzählen; und so lehnte er sich zurück, presste die Lippen zusammen und tat so, als ob er gar nichts gesagt hätte.
Der Magier schien ihn jedoch kaum gehört zu haben. Obwohl er Gerent einen Blick zuwarf, schien er ihn nicht wirklich zu sehen. Er fuhr leise fort, fast so, als spräche er mit sich selbst: »Er machte aus ihr eine Feuermagierin. Er machte aus ihr eine Waffe. Oder nicht direkt eine Waffe. Er machte kein Schwert aus ihr, sondern einen Schild. Er machte aus ihr etwas, was kein Greif sein konnte: eine Feuerheilerin. Wir bemerkten nicht gleich, was
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