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Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers

Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers

Titel: Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neumeier Rachel
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Zimmer im Erdgeschoss; die breiten Fenster gingen vermutlich auf den Garten hinaus. Gerent konnte dies nicht genau erkennen, da alle Läden fest verschlossen waren. Auf den Tischen lagen breite Dokumente entrollt und befestigt, auf denen komplexe Skizzen in Tinte und Kohle zu sehen waren ... Kein Wunder, dass hier die Fensterläden geschlossen blieben: Ein zu starker Wind wäre diesen empfindlichen Papieren nicht gut bekommen. Teure Lampen verbreiteten ein gleichmäßiges Licht über den Diagrammen.
    Als Gerent an den Tisch herantrat, welcher der Tür am nächsten stand, stellte er fest, dass einer der Entwürfe ein detailreiches, mit vielen Anmerkungen versehenes Diagramm einer Art Mechanismus war, die Ränder des Dokuments vollgeschrieben mit ihm unvertrauten mathematischen Gleichungen. Er betrachtete stirnrunzelnd die Skizze und versuchte, einen Sinn darin zu erkennen: Es schien, als entwürfe hier jemand eine äußerst kunstvoll gestaltete Brücke, die beiderseits von Balkonen gesäumt war, welche ihrerseits von Säulen getragen und durch hohe Bögen mit der eigentlichen Brücke verbunden wurden. Der Entwurf wäre für einen Techniker vielleicht verständlicher gewesen als für Gerent, der nach einem Augenblick aufgab und lieber Tehre Annachudran betrachtete als ihr geheimnisvolles Diagramm. Fareine glitt an ihm vorbei und stellte Teller mit belegten Broten und Honigkuchen vorsichtig an den Rand eines der Tische, der nicht vollständig mit Entwürfen bedeckt war.
    »Wahrscheinlich ist dir bekannt, dass gefährliche Risse in Brücken oder Mauern, Schiffen oder ähnlichen Dingen zumeist ganz plötzlich auftreten«, erklärte ihm Tehre und gab nicht zu erkennen, dass sie die Teller überhaupt bemerkt hätte.
    Sie tippte auf ein Diagramm, dessen Rand mit einer Kolonne von Gleichungen bedeckt war. Gerent legte den Kopf schief und versuchte, die Gleichungen zu verstehen, aber sie kamen ihm nicht bekannt vor.
    »Ich denke, es ist klar, dass eine kritische Länge existiert, und sobald ein Riss diese erreicht, entwickelt sich eine Katastrophe«, fuhr Tehre fort. »Man sollte denken, dass mit der Stärke eines Materials auch die kritische Länge zunimmt, aber offenkundig entspricht das nicht der Wirklichkeit, ja?«
    Sie redete schnell in einem scharfen und strengen Ton – oder nicht direkt streng, sondern eindringlich, wie Gerent befand.
    »Schließlich weiß jeder, dass einige sehr starke Materialien wie Stein kaum einen Riss verkraften, ehe sie unter Zugspannung zerbrechen, weshalb man zwar mit Schmiedeeisen unter Zugspannung bauen kann, aber Steine immer unter Druck setzt, ja? Wir müssen also den Widerstand gegen die Ausbreitung von Rissen als eine Eigenschaft betrachten, die nicht direkt mit der Materialstärke korrespondiert, sondern mit der Wucht des Schlages, die nötig ist, um ein Stück von dem Material abzusplittern, siehst du? Ich denke mir nun ...« Sie tippte erneut auf die Reihe der Gleichungen und schien sich auf einmal zu fragen, ob Gerent ihr überhaupt folgen konnte. Sie brach ab und blickte ihn zweifelnd an.
    »Ich habe nicht viel mit Brücken und Mauern gearbeitet«, räumte Gerent ein. »Aber ich denke, was du am meisten brauchst, ist eine passende Definition von Eigenschaften wie ›Stärke‹ und ›Wucht‹, ›Widerstandskraft‹ und ›Brüchigkeit‹ und ›Biegsamkeit‹. Und ›Dehnbarkeit‹, wenn man erst mal an Metalle denkt, denn sobald man sich über die Ausbreitung von Rissen in Metallen Gedanken macht, ist es wahrscheinlich die ›Dehnbarkeit‹, die eine größere Bruchfestigkeit ermöglicht, denkst du nicht?«
    Tehre starrte Gerent an, als sähe sie ihn jetzt zum ersten Mal richtig. Ihre Augen, die ein ungewöhnliches Grün mit brauner Einfärbung aufwiesen, wirkten groß und eindrucksvoll in ihrem zarten Gesicht.
    Dann schlug sie ein großes Buch auf dem nächsten Tisch auf, blätterte rasch darin, bis sie eine leere Seite fand, und nahm eine Schreibfeder zur Hand. »Die Länge eines ›sicheren‹ Risses in einer Konstruktion muss vom Verhältnis der Brüchigkeit zum Ausmaß der Zugkraft abhängen, die auf das Material einwirkt«, sagte sie und schrieb dabei schnell. »Nein! Nicht das Ausmaß der Zugkraft, die einwirkt, sondern das Ausmaß, das tatsächlich vom Material aufgenommen wird. Damit wäre die kritische Länge eines Risses im Grunde umgekehrt proportional zur ›Dehnbarkeit‹ des Materials.« Sie brach ab und blinzelte das Buch an. »Das scheint auf den ersten Blick

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