Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
womöglich noch austüftelte.
Er würde allerdings fortgehen müssen. Das Risiko, von jemandem erkannt zu werden, den er von früher kannte, war einfach zu groß.
Am nächsten Morgen erwischte Tehre ihn, ehe die Sonne richtig aufgegangen war. Gerent war früh aufgestanden. Er war gerade in der Küche und schnorrte bei der Köchin Gebäck mit Äpfeln und goldenen Rosinen, während er sich zugleich von den Küchenmägden wegen des frühen Aufstehens necken ließ: was das wohl über sein frühes Zubettgehen verriet – und ob er auch sicher war, dass er gut schlief? Sie gingen jedoch erschrocken auseinander, als die Hausherrin eintrat.
Tehre sah aus, als wäre sie schon seit Stunden auf den Beinen oder es gar die ganze Nacht lang gewesen – aber sie war zugleich allerbester Laune und ausgeruht, als hätte sie ihr Leben lang nachts immer ausgiebig geschlafen. »Oh, Gerent, gut!«, sagte sie. Dann wandte sie sich kurz an die Köchin, die ihr ein frisches Gebäckstück reichte. »Sind die mit Äpfeln? Danke.« Sie blickte wieder zu ihm. »Gerent, ein wichtiger Herr wird mich heute Vormittag aufsuchen. Hatte ich dir das gestern schon erzählt? ... Ja, ich dachte mir schon, dass ich es vergessen hatte; und Fareine muss gedacht haben, es wäre nicht wichtig genug, um es dir zu sagen. Nun, ich habe mich entschieden, dass ich dein Katapult vorstellen und demonstrieren möchte, wie es kaputtgeht und was das über Materialversagen verrät. Ich denke, das wäre genau die Art Demonstration, die diesen Mann beeindrucken würde. Er verfügt über viel Grundbesitz und großen Reichtum, und ich möchte ihn als Gönner gewinnen, damit er mich gegenüber den Zünften vertritt. Also, macht es dir etwas aus? Und ich dachte, ich könnte dich als Erbauer des Katapults vorstellen; das würde ihn beeindrucken und wäre günstig für dich.«
»Ah ...«, erwiderte Gerent nicht sehr überzeugend. In ihm setzte sich die sinnlose, aber ausgesprochen wirkmächtige Überzeugung fest, dass dieser mögliche Gönner einer seiner Vettern war. Brachan oder Feir oder, am schlimmsten von allen, Geseikan. Das war jedoch albern. Seine Vettern waren zwar reich und begütert, aber keiner von ihnen zeigte auch nur das mindeste Interesse an Brücken oder Materialphilosophie. Gewiss kannte er diesen Mann nicht; und wahrscheinlich kannte dieser – um wen auch immer es sich handelte – Gerent ebenfalls nicht ... vor allem nicht nach neunzehn Jahren.
»Gut, dann hier entlang; ich möchte meinen neuen Gönner in der Bibliothek empfangen.« Tehre schien in ihrer Nervosität nichts von Gerents Widerwillen zu bemerken. »Köchin, könntest du etwas von diesem herrlichen Gebäck für meinen Gast bereitstellen? Dann entscheidet er sich bestimmt dafür, mich zu vertreten.« Sie sagte das in einem ganz sachlichen Ton und war sich eindeutig nicht der Tatsache bewusst, dass sie mit ihren Worten ein Kompliment gemacht hatte. Sie packte Gerent an der Hand und schleppte ihn mit, während die Küchenmädchen hinter ihnen in leises Kichern ausbrachen.
Gerent sagte sich nachdrücklich, dass dieser angehende Gönner jemand sein würde, dem er noch nie begegnet war: jemand, der nie von ihm gehört hatte. Er bemerkte sogar, dass er sich regelrecht darauf freute mitzuerleben, wie Tehre ihre eindrucksvolle Willenskraft einsetzte, um diesen Mann in ihre Pläne einzubeziehen. Falls der Besucher intelligent war, würde er sie mit Begeisterung vertreten. Falls er sich als Narr erwies, konnte Gerent vielleicht Tehre dabei helfen, ihn zu überreden, und sich auf diese Weise für ihre Liebenswürdigkeit ihm gegenüber erkenntlich zeigen ...
Kapitel 4
Das Letzte, was Gerent erwartet hätte, war, dass sich der angehende Gönner als Perech Fellesteden entpuppen würde. Fellesteden hatte geplant, nach Abraikan zu gehen ... Gerent war sich absolut sicher, dass sein ehemaliger Besitzer mit der Familie nach Abraikan hatte umziehen wollen. Trotzdem war er jetzt hier.
Einen endlosen Augenblick lang konnte sich Gerent kein bisschen mehr bewegen, nachdem Fellesteden Tehres Bibliothek betreten hatte – weder reden noch weglaufen, noch sonst irgendetwas tun. Er hatte das Gefühl, ein feindseliger Zauberspruch hätte ihn in Stein verwandelt: als wäre er tatsächlich nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen.
Fellesteden war eindeutig nicht minder erstaunt. » Das ist ja eine Überraschung«, sagte er, aber der aalglatte und wohlige Tonfall deutete an, dass ihm diese Überraschung sehr gefiel. So
Weitere Kostenlose Bücher