Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
nichts von Regan. Ich suche Regan nicht. Regan hat meines Wissens keinem was getan.«
    Ohls sagte »Oh« und starrte nachdenklich aufs Meer, und der Wagen kam fast von der Straße ab. Während der restlichen Fahrt zurück zur Stadt sprach er kaum ein Wort. Er setzte mich in Hollywood beim Chinesischen Theater ab und wendete wieder nach Westen Richtung Alta Brea Crescent. Ich aß in einer Snackbar zu Mittag und sah in eine Nachmittagszeitung und konnte nichts über Geiger darin finden.
    Nach dem Mittagessen ging ich ostwärts auf dem Boulevard, um mir noch mal Geigers Laden anzusehen.

10
    Der schlanke, schwarzäugige Kredit-Juwelier stand in seiner Eingangstür in derselben Haltung wie am Nachmittag zuvor. Er bedachte mich mit demselben wissenden Blick, als ich hineinging. Auch der Laden war noch derselbe. Dieselbe Lampe schien auf den kleinen Schreibtisch in der Ecke, und dieselbe Aschblonde im selben wildlederartigen, schwarzen Kleid stand dahinter auf und kam mit demselben zögernden Lächeln im Gesicht auf mich zu.
    »Was darf ...«, sagte sie und brach ab. Ihre silbernen Nägel zupften an ihrer Hüfte. Ihr Lächeln wirkte ein Quentchen verkrampft. Es war überhaupt kein Lächeln. Es war eine Grimasse. Sie meinte nur, es wäre ein Lächeln.
    »Da wäre ich wieder«, sagte ich aufgeräumt und schwenkte meine Zigarette. »Mr. Geiger heute da?«
    »Ich ... ich fürchte, nein. Nein – leider nicht. Warten Sie ...
    Sie wollten ...?«
    Ich nahm meine dunkle Brille ab und beklopfte damit sachte die Innenfläche meines linken Handgelenks. Wenn einer mit hundertachtzig Pfund wie ein Schwuli aussehen konnte, dann schaffte ich das bestens.
    »Das mit den Erstausgaben war nur ein Vorwand«, wisperte ich. »Ich muß vorsichtig sein. Ich habe was, was er sucht.
    Etwas, nach dem er schon lange gesucht hat.«
    Die silbernen Fingernägel tasteten an blondem Haar über einem jettgeschmückten Öhrchen. »Oh, ein Händler«, sagte sie.
    »Nun – vielleicht schauen Sie morgen vorbei. Ich nehme an, morgen wird er hier sein.«
    »Lassen Sie die Mätzchen«, sagte ich. »Ich bin auch im Geschäft.«
    Ihre Augen verengten sich, bis sie nur noch ein schwaches, grünliches Glimmern waren, wie ein ferner Waldtümpel in Schatten von Bäumen. Ihre Finger krallten sich in ihren Handteller. Sie starrte mich an und vergaß zu atmen.
    »Ist er krank? Ich könnte zu ihm hinauffahren«, sagte ich ungeduldig. »Ewig kann ich nicht warten.«
    »Sie – äh ... Sie – äh«, quetschte es in ihrer Gurgel. Ich dachte schon, sie würde auf die Nase fallen. Sie zitterte am ganzen Leib, und ihr Gesicht ging in Stücke wie eine Hochzeitstorte. Sie fügte es allmählich wieder zusammen, so als höbe sie ein schweres Gewicht, und zwar allein durch pure Willenskraft. Das Lächeln kehrte mit einem Paar
    schiefgebogener Mundwinkel zurück.
    »Nein«, sagte sie. »Nein. Er ist verreist. Das ... hätte keinen Sinn. Könnten Sie nicht ... morgen ... vorbeikommen?«
    Ich machte schon den Mund auf, um etwas zu sagen, als die Tür in der Trennwand einen Fußbreit aufging. Der große, dunkle, hübsche Junge in der Weste sah heraus, bleich und schmallippig, erblickte mich und machte schnell die Tür wieder zu, aber nicht, bevor ich hinter ihm auf dem Fußboden eine Menge Holzkisten, mit Papier ausgelegt und lose mit Büchern gefüllt, gesehen hatte. Ein Mann in sehr neuen Overalls war mit ihnen zugange. Ein Teil von Geigers Lager wurde geräumt. Als sich die Tür schloß, setzte ich meine dunkle Brille wieder auf und tippte an meinen Hut.
    »Morgen also. Ich würde Ihnen gern meine Karte dalassen, aber Sie wissen ja, wieś ist.«
    »Ja-a. Ich weiß, wieś ist.« Sie zitterte noch ein bißchen und machte ein schwach saugendes Geräusch mit ihren grellen Lippen.
    Ich ging aus dem Laden und nach Westen auf dem Boulevard zur Ecke und nördlich die Straße lang zum Gäßchen, das hinter den Läden verlief. Ein kleiner, schwarzer Lastwagen mit Drahtnetzaufbau und ohne Beschriftung parkte rückwärts hinter Geigers Laden. Der Mann in den sehr neuen Overalls hievte gerade eine Kiste auf die Ladeklappe. Ich ging zum Boulevard zurück und Geigers Nachbarblock entlang und sah ein Taxi, das bei einem Hydranten parkte. Ein Junge mit frischen Backen las hinter seinem Lenkrad in einem Horror-Magazin.
    Ich lehnte mich hinein und zeigte ihm einen Dollar: »Kleine Hatz?«
    Er studierte mich. »Bulle?«
    »Privatdetektiv.«
    Er grinste. »Mein Bier, Jack.« Er knallte das Magazin

Weitere Kostenlose Bücher