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Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
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er gesagt, er lebte auf einer Insel südlich von Griechenland. Nicht als Mensch, sondern als ein Tier, ein Tier, das geopfert werden würde. Einmal sagte er, er wäre Wagner, und seine Musik würde zu einer Revolution auf der Erde führen.«
    »Mindestens damit hatte er recht.«
    »Und dann hat er gesagt, Die Neun hätten ihm erklärt, daß er sich reinigen müsse. Er hörte auf zu rauchen, trank keinen Alkohol mehr, wollte kein Fleisch und keinen Fisch mehr essen. Er sagte, eines Tages würde er überhaupt keine Nahrung mehr benötigen, sondern seine Gesundheit aus dem weißen Licht der Sonne schöpfen … Seit der Zeit hat er mich nie mehr körperlich berührt. Er sagte, der größte Liebesakt wür de in unserem Geist stattfinden …«
    »Aber in dem, was er schreibt … der ganze Iliyu ist eine Verherrlichung der körperlichen Liebe. Hat er nicht –«
    »Er hat gesagt, in tausend Jahren werden die Männer Frauen sein und die Frauen Männer. Nein, nicht direkt, es wäre so, daß sie zu einem Menschen würden und Vollkommenheit erlangten. Aber Richard wollte nicht tausend Jahre lang warten … ich habe das damals nicht verstanden. Ich war verletzt, weil er mich nie liebte. Einmal habe ich ihn nachts angeschrien und ihm gesagt, ich glaube, daß er mit den neun Männern schliefe.«
    »Was tat er da?«
    »Nichts.«
    »Und Sie?«
    »Ich trank sehr viel Brandy. Können Sie das verstehen? Ich tue es noch immer. Mein Körper ist verletzt, weil er nicht geliebt wird. In dem Apartmenthaus auf der anderen Straßenseite wohnten Studenten. Ich zog mich abends immer am offenen Fenster aus, damit ich fühlen konnte, wie die Blicke der Männer meinen Körper berührten. Ich fing an, sehr enge Kleider anzuziehen, und machte lange Spaziergänge durch die Innenstadt; dabei bildete ich mir ein, die Blicke der Männer zu fühlen. Sehen Sie nur, wie ich jetzt dasitze, mit dem offenen Morgenrock. Ich tue es noch jetzt …«
    Paul nippte an seinem Glas. Aus den Bäumen draußen ertönte das Schnattern ärgerlicher Krähen, als die arktische Sonne über die Berge schien und das eisige Schwarz in Weiß verwandelte.
    »Dann ist das also abgemacht … ich werde dich Paul nennen und du mich Adrianne.«
    »Einverstanden!«
    »Ich bin so froh, daß du trinkst. Ich dachte, du würdest Lehm benutzen, wie die meisten Menschen draußen.«
    »Wo draußen?«
    »Hier im Yukon-Territorium nennen wir alle anderen Gebiete ›Draußen‹. Soll ich eine Platte auflegen?«
    »Jetzt noch nicht, ich möchte das Ende deiner Geschichte hören …«
    »Die Geschichte! Natürlich. Die Geschichte … Wir sind ins Yukon-Territorium zurückgekommen, hier in dieses Haus. Ich habe Richard nur noch zweimal gesehen, das letzte Mal, als er seine Sachen holte.«
    »Wo ist er hingegangen?«
    »Er ging nach Norden, um bei den Eskimos zu leben, und dann nach Vancouver, dann nach Stratford, dann in die Vereinigten Staaten. Ich habe etwas über ihn gelesen, das ist alles.«
    »Warum bleibst du dann hier?«
    »Es ist das einzige Zuhause, das ich habe. Ich habe meinen Brandy, meinen Mozart, und ich habe Naasook, der dafür sorgt, daß ich nicht erfriere … ach, Paul, mach’ doch nicht so ein Gesicht! Er ist nicht mein Liebhaber … Er versorgt den Ofen, und er kauft für mich ein. Und manchmal bringt er mir Neuigkeiten über Richard mit.«
    »Vielleicht weiß er, wo Stier jetzt ist …«
    »Nein. Das weiß er nicht. Er sagt, daß einer von Den Neun vor einem Jahr seinen Vater geholt hat.«
    »Seinen Vater ?«
    »Ja. Habe ich dir das nicht erzählt? Ehe wir heirateten, hat Richard mit einer Eskimofrau in Aklavik zusammengelebt. Naasook ist ihr Sohn.«
     
    »Zwischen zwanzig schneebedeckten Bergen war das einzige, was sich bewegte, das Auge einer Amsel.«
     
    »Das ist sehr schön«, sagte Adrianne. »Hast du das jetzt eben gemacht?«
    »Nein … eine Freundin von mir, sie hieß Beebee, schrieb sich oft Gedichte auf, die sie auf der High-School gelernt hatte. Sie hat auch selbst welche gemacht, die recht gut waren.«
    Adrianne hatte den Mozart durch eine zerkratzte Schallplatte von Peer Gynt ersetzt, und gedämpfte Saiteninstrumente begannen das heimliche Crescendo von Im Saal des Bergkönigs zu zupfen.
    »Ich habe Anitras Tanz übersprungen«, sagte sie. »Er ist so traurig …«
    Paul sah weiterhin aus dem Fenster. »Ich möchte nicht wie ein unwissender Tourist wirken«, sagte er, »aber über dem Berg da draußen gehen zwei Sonnen auf.«
    »Ein Sonnenhund! Laß

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