Der Grüne Strahl
ihres Prätendenten für im-
mer erschüttert. Nichts konnte ihn wieder zu Miss Camp-
bell zurückführen; sie mußten schon, wohl oder übel, auf
die Erfüllung eines unmöglich gewordenen Projekts ver-
zichten.
»Nun, glücklicherweise«, flüsterte Bruder Sam Bruder
Sib zu, den er etwas auf die Seite genommen, »sind übereilt
gegebene Versprechen keine eisernen Handschellen!«
Das bedeutete mit anderen Worten, daß man unter we-
sentlich veränderten Umständen unmöglich an ein unter
anderen Voraussetzungen gegebenes Wort gebunden sein
kann, und mit deutlicher Geste hatte Bruder Sib auch seine
Zustimmung gegeben, daß hier jenes schottische Sprich-
wort volle Anwendung fände.
Eben als man sich im unteren Saal von ›Duncans Har-
nisch‹ verabschieden wollte, erklärte Miss Campbell:
»Wir reisen morgen ab, ich bleibe keinen Tag länger
hier!«
»Völlig einverstanden, meine liebe Helena«, antwortete
Bruder Sam, »doch wohin werden wir gehen?«
»Dahin, wo wir sicher sind, diesen Mr. Ursiclos nicht
wieder anzutreffen. Es ist also wichtig, niemand erfahren
zu lassen, sowohl daß wir von Iona weg, noch auch wohin
wir gehen.«
»Ganz recht«, meinte Bruder Sib; »aber, liebe Tochter,
wie sollen wir abreisen und wohin uns wenden?«
»O«, rief Miss Campbell, »wir sollten nicht mit Tagesan-
bruch ein Mittel finden, diese Insel zu verlassen? Das Ufer
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Schottlands böte uns keinen unbewohnten, noch lieber un-
bewohnbaren Punkt, wo wir unserer Beobachtung in Frie-
den nachgehen könnten?«
Die beiden Brüder wenigstens hätten auf diese doppelte,
übrigens in einem Ton gestellte Frage, der keine Ausflucht
gestattete, nicht zu antworten vermocht. Zu ihrem Glück
war Olivier Sinclair noch bei der Hand.
»Miss Campbell«, sagte er, »das läßt sich alles arrangie-
ren und zwar wie folgt: nicht weit von hier bietet sich eine
für unsere Beobachtung höchst geeignete Insel, eigentlich
nur ein Eiland, und da wird kein Störenfried uns nahen.«
»Welche meinen Sie?«
»Nun Staffa, das Sie höchstens 2 Meilen im Norden von
Iona sehen können.«
»Ist es möglich, dort zu leben und dahin zu gelangen?«
fragte Miss Campbell.
»Gewiß«, versicherte Olivier Sinclair, »und noch dazu
ganz leicht. Im Hafen von Iona hab’ ich eine jener Yachten
gesehen, die immer bereit sind, in See zu stechen, eine Yacht,
wie man sie während der schönen Jahreszeit ja in allen eng-
lischen Häfen findet. Ihr Kapitän wie die Mannschaft ste-
hen dem ersten besten Touristen zur Verfügung, der ihre
Dienste in Anspruch nimmt, um in den Kanal, die Nord-
see oder nach Irland zu fahren. Nun, wer hindert uns, diese
Yacht zu heuern, darauf, da Staffa selbst keine Hilfsmittel
bietet, für 14 Tage Proviant einzuschiffen und morgen mit
dem ersten Tagesgrauen davonzusegeln?«
»Mr. Sinclair«, antwortete Miss Campbell, »wir werden
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morgen heimlich diese Insel verlassen haben, und seien Sie
überzeugt, daß ich mich Ihnen zu großem Dank verpflich-
tet fühlen werde.«
»Morgen, im Lauf des Vormittags, vorausgesetzt daß sich
nur eine leichte Morgenbrise erhebt, werden wir schon auf
Staffa sein«, versicherte Olivier Sinclair, »und abgesehen
von dem gewöhnlichen Besuch der Touristen, der zweimal
in der Woche etwa 1 Stunde dauert, werden wir dort von
keiner lebenden Seele gestört werden.«
Nach gewöhnlicher Sitte erklangen sofort wieder alle
Rufnamen von Mrs. Bess.
»Bet!«
»Beth!«
»Bess!«
»Betsey!«
»Betty!«
Mrs. Bess erschien auf der Stelle.
»Wir reisen morgen ab«, sagte Bruder Sam.
»Morgen ganz früh!« fügte Bruder Sib hinzu.
Ohne sich darüber eine weitere Frage zu stellen, beschäf-
tigten sich Mrs. Bess und Patridge gleich darauf mit den
Vorbereitungen zum Aufbruch.
Inzwischen begab Olivier Sinclair sich zum Hafen und
verhandelte dort mit John Olduck.
John Olduck war der Kapitän der ›Clorinda‹, ein richtiger
Seemann, bekleidet mit der traditionellen Mütze mit Gold-
borte, einer Art Jacke mit Metallknöpfen und mit Beinklei-
dern aus blauem Tuch. Nach Abschluß des Vertrags ging er
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sofort daran, mit seinen sechs Leuten alles zum Auslaufen
klarzumachen. Diese sechs Matrosen waren eigentlich Fi-
scher, versahen aber während des Sommers den Dienst auf
diesen Yachten so vortrefflich, daß sie allen Seeleuten der
Welt als Muster gelten können.
Um 6 Uhr morgens schifften sich die neuen Passagiere
der
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