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Der Grüne Strahl

Der Grüne Strahl

Titel: Der Grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gar nicht mehr an einem Platz halten. Trotz
    der lästigen Hitze lief sie einmal da- und einmal dort-
    hin, während Olivier Sinclair sich auf die höher gelegenen
    Punkten der Insel begab, um einen erweiterten Ausblick zu
    haben. Die beiden Onkel leerten heute jeder zur Hälfte eine
    ganze Tabaksdose, und Patridge, als wenn er auch dazu ge-
    hört hätte, spielte sozusagen den Feldhüter, der zur Über-
    wachung der Himmelsgefilde ausgestellt war.
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    Es war verabredet worden, an diesem Tag schon um
    5 Uhr zu speisen, um zeitig auf dem Beobachtungsplatz
    einzutreffen. Die Sonne konnte erst um 6 Uhr 49 unterge-
    hen, und man hatte demnach Zeit, ihr ein großes Stück zu
    folgen.
    »Ich glaube, dieses Mal haben wir ihn«, rief Bruder Sam,
    sich die Hände reibend.
    »Ich glaub’s auch!« erwiderte Bruder Sib, dieselbe Bewe-
    gung vornehmend.
    Gegen 3 Uhr nachmittags gab es jedoch Alarm. Eine
    große Wolkenflocke, der Versuch einer Kumulusbildung,
    erhob sich im Osten und glitt, getrieben vom Landwind,
    dem Ozean zu.
    Miss Campbell hatte sie zuerst bemerkt. Sie konnte einen
    Ausruf der Entmutigung nicht unterdrücken.
    »Oh, sie ist ja allein, diese Wolke«, sagte einer der Onkel,
    »sie wird sich in nicht ferner Zeit auflösen . . .«
    »Oder sie bewegt sich schneller als die Sonne«, meinte
    Olivier Sinclair, »und verschwindet vor ihr unter dem Ho-
    rizont.«
    »Doch ist diese Wolke nicht der Vorbote einer Nebel-
    bank?« fragte Miss Campbell.
    »Das wird sich zeigen.«
    In vollem Lauf begab sich Olivier Sinclair zu den Rui-
    nen des Klosters. Dort konnte sein Blick, über die Berge von
    Mull hinweg, weit nach Osten schweifen.
    Jene Berge strebten in voller Klarheit empor; der Kamm
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    glich einer mit Bleistift auf ganz weißem Grund gezogenen
    Wellenlinie.
    Am weiten freien Himmelsraum fand sich keine andere
    Dunstbildung, und der deutlich sichtbare Ben More trug
    trotz seiner Höhe von 3.000 Fuß über dem Meer keine Ne-
    belkappe.
    Nach Verlauf einer halben Stunde kehrte Olivier Sin-
    clair mit den tröstlichsten Versicherungen wieder zurück.
    Die gesehene Wolke war nichts als ein verlassenes Kind im
    Raum; sie konnte in der ausgetrockneten Atmosphäre keine
    Nahrung finden und mußte unterwegs schon an Hunger
    zugrundegehen.
    Inzwischen stieg die weiße Wolke weiter zum Zenit auf.
    Zum großen Mißvergnügen aller folgte sie dem Weg der
    Sonne und näherte sich ihr unter dem Druck der Brise. Im
    Dahingleiten änderte sie infolge der wirbelnden Bewegung
    der Luft ihre Form; erst dem Kopf eines Hundes ähnlich,
    verwandelte sie sich später mehr in einen Fischkopf, gleich
    dem eines riesigen Rochens; dann rollte sie sich zu einer
    im Mittelpunkt dunklen, an den Rändern glänzenden Ku-
    gel zusammen und berührte in diesem Augenblick die Son-
    nenscheibe.
    Ein Schrei entfuhr Miss Campbell, deren beide Arme
    sich gen Himmel emporstreckten.
    Das hinter diesem Nebelschirm verborgen strahlende
    Gestirn sandte nicht mehr einen einzigen seiner Lichtblitze
    zu der Insel Iona, und letztere, die jetzt außerhalb der Zone
    der direkten Irradiation lag, hüllte sich in düstere Schatten.
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    Bald aber wechselte der ungeheure Schatten seine Stelle
    und die Sonne erschien wieder in vollem Glanz. Die Wolke
    senkte sich zum Horizont herab – sie sollte ihn nicht ein-
    mal erreichen, denn eine halbe Stunde später verschwand
    sie gänzlich, als wenn am Himmel eine Öffnung entstan-
    den wäre.
    »Endlich ist sie zerstreut«, rief das junge Mädchen, »nun
    gebe Gott, daß ihr keine andere folgt.«
    »Nein, seien Sie darüber ruhig, Miss Campbell«, sagte Oli-
    vier Sinclair. »Wenn diese Wolke so schnell auf diese Weise
    verschwand, ist es ein Zeichen, daß sie in der Atmosphäre
    keine anderen Dünste antraf, weil der ganze Himmelsraum
    nach Westen zu von vollkommener Reinheit ist.«
    Um 6 Uhr abends nahmen die Beobachter auf einem
    nach allen Seiten offenen Terrain ihren Posten ein.
    Dieser befand sich am Nordende der Insel, auf einem
    den Abbey Hill überragenden Bergkamm. Von diesem Gip-
    fel aus konnte der Blick frei ringsum schweifen, im Osten
    über die ganze höher liegende Landschaft der Insel Mull;
    im Norden erhob sich das Eiland von Staffa gleich der riesi-
    gen Schale einer Schildkröte, die in den Gewässern der He-
    briden gestrandet war; darüber hinaus lösten sich Elva und
    Gometra von dem weit hinausschießenden Ufer der Insel
    ab; gegen Westen, Süd- und Nordwesten breitete

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