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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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das war ein hochgradig suizidgefährdeter Patient, den ich sehr mochte. Er hat sich trotzdem umgebracht. Wie gesagt, du bist privilegiert, ruf einfach an, wenn du das Bedürfnis hast.
    Danke dir, es könnte gut sein, dass ich davon Gebrauch mache. Ich komme mir ganz klein vor und fühle mich diesem Vorhaben überhaupt nicht gewachsen.
    In großen Stunden sind wir immer Zwerge.
    Und was, wenn die Frau sagt, dass Una gut verheiratet und glücklich ist?
    Du könntest es trotzdem darauf ankommen lassen, was Una dir selber sagt.
    Falls ich sie denn überhaupt erreiche.
    Natürlich erreichst du sie. Du reist nicht aus Island ab, ohne mit ihr gesprochen zu haben,
it’s now or never
.
    Vielleicht.
    Nicht vielleicht. Wie viele Leben hast du?
    Eines.
    Vergiss das nicht. Jetzt kommt es darauf an.
    Danke dir.
    Nichts zu danken, prost!
    Prost! Und gute Nacht, Dween.
    Gute Nacht, Karl.
    Das Wasser im Jacuzzi war so kalt geworden, dass sich Karl Ástusons Mundwinkel verkrampft hatten, und er schämte sich dafür, dass er Doreens Namen nicht mehr richtig artikulieren konnte, als er sich verabschiedete. Er stieg aus der Wanne, legte das Handy auf dem Regal über dem Waschbecken ab und starrte es an, als könne er nicht glauben, dass es ein Telefon sei, geschweige denn, dass er tatsächlich über dieses Gerät mit Doreen Ash gesprochen hatte.
    Eine kurzfristige Aktion war angesagt: eine heiße Dusche. Als seine Zehen wieder warm wurden, fühlte er sich seltsam leicht im Kopf. Und dabei dachte er nicht an Una im Nachbarhaus, nicht präzise in dem Augenblick. Denn was ihm bevorstand, war beinahe bedrohlich für einen Mann, der es sich abgewöhnt hatte, etwas von der Zukunft zu erwarten. Also wandte er sich von der Zukunft ab und konzentrierte sich darauf, wieder durch und durch warm zu werden, was ihm Erleichterung brachte.
    Er betrachtete krebsrote Beine und Zehen, drehte das heiße Wasser ab und zählte nach Atem ringend unter der eiskalten Dusche bis hundert. Nach dieser Selbstkasteiung war ihm noch leichter zumute, aber vor allem war ihm warm bis ins Mark. Er dachte überhaupt nichts und schwebte hoch oben auf einer sausenden Wolke über einer Insel mit tausend grünen Hügeln, während er sich hinter den Ohren und zwischen den Zehen abtrocknete, so wie Ástamama es ihm beigebracht hatte.
    Er warf einen Blick in den Spiegel, kämmte sich, und sein Vorhaben nahm klare Umrisse an. Es galt, Kontakt zu Una zu bekommen, bevor er das Land wieder verließ. Wenn nicht heute Nacht, dann später. Und nun dachte er anders über die angebliche Verschwörung. Solange sich nichts Gegenteiliges herausstellte, wollte er es als eine höhere Fügung ansehen, dass er sich in das Nachbarhaus verirrt hatte. Und jetzt lag es an ihm, sich diese Fügung zunutze zu machen, statt darüber zu stolpern wie über eine hohe Schwelle.
    Er zog sich an und ging nach oben, blieb in der offenen Tür zum Schlafzimmer stehen und sagte ohne zu zögern: Entschuldige die Störung, aber ich muss mit dir reden.
    Selbstverständlich musst du mit mir reden, sagte die Frau im Bett, als wäre sie wach gewesen. Warte im Wohnzimmer auf mich, bis ich fertig bin.
    Danke, sagte er.
    Vielleicht könntest du in der Zwischenzeit einen Kaffee kochen?
    Mach ich, sagte er. Viel Kaffee.
    Der Kaffee war fertig, als Sigríður in der Küche erschien. Sie hatte das Haar mit einem weißen Band zu einem Pferdeschwanz gebunden und trug einen qualitativ hochwertigen Bademantel in einer weiteren nebulösen Farbe. Ein Gespenst, wie es im Buche steht, mit schlafgrauem Gesicht. Sie hatte sich die Zähne geputzt, und er war erleichtert, nun doch irgendeinen Geruch an ihr wahrzunehmen, wenn es auch nur Zahnpasta war.
    Sie nahmen die Kaffeetassen mit ins Wohnzimmer. Der Nachtgast stellte die Tasse auf dem Wohnzimmertisch ab und sagte, noch bevor sie sich gesetzt hatten: Du weißt, worum es geht, denke ich.
    Sag es mir trotzdem.
    Ich bin kein deutscher Amerikaner, ich bin Isländer und heiße Karl, wie du weißt. Ich habe lange in Amerika gelebt. Es ist normalerweise nicht meine Angewohnheit zu lügen, aber der Abend war etwas Besonderes. Una ist
die
Frau in meinem Leben. Ich habe nie geheiratet, und ich habe keine Kinder. Ich weiß, dass Una keine Kinder hat. Ich weiß nicht, wie ihre Einstellung zu mir ist, aber wenn ich ihr etwas Ähnliches bedeute wie sie mir, dann möchte ich Klarheit schaffen. Am liebsten gleich. Würdest du mir dabei helfen?
    Dazu bin ich ja da. Aber so, wie die Dinge liegen, hat

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