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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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zufriedenzustellen. Alle Einzelheiten des kleinen Festes
    müssen durchdacht und vorbereitet sein. Es ist unnötig, seine Gäste in
    freudige Aufregung durch die Ankündigung zu versetzen, dass sie
    ihren Lieblingsschauspieler auf der Bühne sehen werden, um dann an
    der Theaterkasse zu hören, dass nur noch ein paar einzelne Notsitze
    frei sind. Es ist auch überflüssig, dass Sie eine so genaue Beschreibung
    der köstlichen Spezialitäten des Restaurants geben, das Sie besuchen
    wollen, so dass Ihren Gästen das Wasser im Munde zusammenläuft —
    um dann schliesslich keinen Tisch zu finden — oder vor
    verschlossenen Türen zu stehen.
    ZU VIEL ORGANISATION
    Allerdings empfiehlt sich auch ein allzu genauer Stundenplan nicht.
    Ihre Gäste sind keine Maschinen, und sie wollen gern einige
    Augenblicke zwischen dem Käse und dem Kompott verschnaufen. Sie
    sollen sich auch nicht an dem heissen Kaffee verbrennen, den sie in
    aller Hast trinken, weil sich zwei Minuten später der Vorhang für die
    Oper hebt, zu der Sie eingeladen haben. Sie müssen auch im voraus die
    Verkehrsmittel bestimmen, die Ihren Gästen und dem vorgesehenen
    Programm am besten entsprechen.
    IN DER STRASSENBAHN.
    Wenn Sie ganz anspruchslos die Strassenbahn oder den Omnibus
    gewählt haben, ist Ihre Haltung ein wenig anders als wir sie
    Unbekannten gegenüber empfahlen. Sie lassen Ihre Gäste zuerst
    einsteigen, und die Plätze einnehmen, es ist besser, Sie stehen als Ihre
    Gäste. Sie haben die Sorge für sie übernommen und dürfen nicht
    jammern, dass Sie mal wieder kein Kleingeld haben, so dass Ihre Gäste
    in ihre Tasche greifen und für Sie mitzahlen müssen, obschon es Ihre
    Pflicht ist, die Fahrtkosten für alle zu begleichen. Falls sich Damen in
    Ihrer Gesellschaft befinden, steigen Sie als erster aus der Bahn oder
    dem Omnibus und reichen ihnen eine hilfreiche Hand. Wenn Sie der
    Ansicht sind, dass man auch die kleinste Summe sparen soll, oder
    wenn Sie glauben, dass Ihre Gäste einen gesunden kleinen Spaziergang
    in der frischen Luft schätzen, dann schlagen Sie vor, die »schnellen«
    Verkehrsmittel zu verschmähen und sich zu Fuss an den vorgesehenen
    Ort zu begeben. Sie können einer Dame Ihren Arm anbieten, wenn Sie
    allein mit ihr sind und sie dadurch nicht kompromittieren, das heisst,
    wenn Sie ziemlich nahe verwandt miteinander sind. Nach Mitternacht
    urteilt man etwas grosszügiger, wenn Sie einer Dame Ihren Arm
    geben. Normalerweise reichen Sie den linken Arm, damit die rechte
    Hand zur »Verteidigung« frei ist, falls dies notwendig werden sollte.
    Auf der Strasse sollte man diese Vorschrift nicht allzu genau nehmen,
    da sich der Herr auf der Seite des Bordsteins halten muss, um die
    Dame vor den Gefahren der Fahrbahn zu schützen. Wenn ein Herr
    mehrere Damen begleitet, geht er nicht in ihrer Mitte, sondern stets auf
    der Bordsteinseite, es sei denn, die Stimmung ist schon so heiter, dass
    er beide Arme vergibt.
    IM WAGEN.
    Wenn Sie »motorisiert« sind oder eine Taxe bestellt haben, vergessen
    Sie nicht, dass der Ehrenplatz hinten rechts ist. Die wichtigste Dame
    oder der wichtigste Herr, falls keine Dame da ist, wird ihn einnehmen.
    Wenn eine Dame von einem Herrn in seinen Wagen eingeladen wird
    der ihn selbst steuert, soll sie auf den Ehrenplatz verzichten und sich
    neben den Herrn nach vorne setzen.
    Der Wagen, in den Sie einsteigen, ist vielleicht eine jener rollenden
    Sardinendosen, die man in Europa, unter dem Vorwand, Benzin zu
    sparen, fabriziert. Es könnte aber auch ein geräumiger, eleganter Salon
    sein, aus den Vereinigten Staaten importiert, in den bequem zehn
    Personen hineingehen, ohne dass sie das System eines Taschenmessers
    anwenden müssen. In jedem Fall beglückwünscht ein Gast den Besitzer
    des Wagens zu dem guten Lauf des Motors — falls er nicht
    abergläubisch ist und fürchtet, dass dieses Kompliment eine jener
    tückischen Pannen hervorruft, die nur die »besten« Wagen erleiden.
    Wenn Sie in einem kleinen Wagen rauchen, wird die Gesellschaft bald
    kochen. Aber auch in einem grossen Wagen rauchen Sie lieber nicht,
    nicht nur aus Höflichkeit, sondern auch aus Vorsicht. Es ist nicht klug,
    seine eigenen Kleider zu verbrennen, aber es ist wirklich unfreundlich,
    die Kleider Ihrer Nachbarn oder die Sitzpolster zu versengen.
    IM THEATER.
    Wenn Sie Ihre Freunde zu einer Theatervorstellung einladen, müssen
    Sie die Plätze unbedingt reservieren lassen. Aber glauben Sie nicht,
    dass Sie nur eine

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