Der Gute Ton 1950
auf ein Restaurant, wo man zu Tischmusik speist. Das ist nur
angenehm, wenn Sie nicht genug Phantasie haben, um ein
Unterhaltungsthema zu finden, oder wenn Ihre Gäste unfähig sind, die
Mahlzeit mit Witz, Geist und Geschichten zu würzen. Es ist angebracht
immer ein paar gute Geschichten auf Lager zu haben, die entweder
ziemlich neu sind, oder so alt, dass jedermann sie vergessen hat. Aber
die Pointe Ihres Witzes wird untergehen, wenn Sie dicht neben der
dicken Trommel eines Orchesters sitzen. Wählen Sie den Tisch nicht
neben oder in einem Durchgang. An einem solchen Platz haben wir
bald den Eindruck, dass der Koch nur an die anderen denkt und nicht
an uns.
DIE KLEIDUNG.
Im allgemeinen kleidet man sich nicht besonders festlich, wenn man
in ein Restaurant eingeladen ist. Man trägt dasselbe Kleid, wie bei einer
Einladung nach Hause. Wir kommen in diesem Kapitel noch darauf zu
sprechen.
Es gibt allerdings eine abweichende Regel: eine Dame, die bei einem
Essen im Hause von Freunden, ihren Hut aufbehielte, würde sich
lächerlich machen. Es wäre aber unkorrekt, wollte sie im Restaurant
ihren Hut in der Garderobe abgeben. Wenn sie einen Bisammantel
trägt, soll sie Vertrauen zur Garderobetrau haben, und nicht
verlangen, dass Ihr Pelz, während des Essens, auf einem Sessel neben,
ihr liegt.
DIE WAHL DER SPEISEN.
Sie kommt den Gästen zu. Es wäre unerzogen, ihnen Ratschläge zu
geben, und ihnen aus Sparsamkeitsgründen die billigsten Gerichte zu
empfehlen. Wenn Sie Ihre Gäste mit solchen Absichten einladen,
verzichten Sie lieber auf eine Einladung. Man kann wohl eine
Spezialität des Hauses empfehlen, sie ist in den meisten Fällen nicht
sehr billig. Als Gastgeber können Sie dazu raten, ohne jedoch auf
Ihrem Vorschlag zu beharren. Sind Damen unter den Gästen, obliegt
Ihnen die Wahl der Weine. Wenn Sie kein grosser Weinkenner sind,
lassen Sie sich vom Hotelchef beraten.
Sie werden sorgen, dass Ihre Gäste ein vollständiges Essen haben
und sich nicht mit einer Vorspeise zufrieden geben müssen. Sie sollen
auch nicht versuchen sie zu nudeln, wie gewisse Gönner es tun.
Wahrscheinlich vermuten sie, dass ihre Gäste, in Erwartung des
Mahles, seit acht Tagen hungerten, und dass sie am anderen Tage die
unterbrochene Diät wieder aufnehmen bis zur nächsten Einladung. —
Die Gäste bestellen nicht das teuerste Gericht, es wäre aber auch nicht
sehr taktvoll, prinzipiell das billigste zu wählen. Dies würde den
Anschein erwecken, als wäre die schlechte finanzielle Lage des
Gastgebers ihre einzige Sorge. Sie sollen, wie man früher sagte, dem
Essen Ehre antun, ohne zu übertreiben. Wir wissen, dass die
Ernährungseinschränkungen vieles verändert haben, aber es ist
dennoch ein Zeichen von schlechter Erziehung, wenn man das Essen
und die Weine zu viel lobt.
Fleisch und Schweizer Käse sind keine Goldwährung mehr und das
Essen ist Nebensache, nicht die Hauptsache. Es gibt andere Arten, dem
Gastgeber seinen Dank und das Vergnügen auszudrücken, das man in
seiner Gesellschaft empfand, als durch ein Loblied auf die gebotenen
Speisen.
MAN VERSCHWINDET!
Während des Essens zu verschwinden ist ungezogen, vom Gastgeber
wie auch von den Gästen. Wenn es aber unvermeidlich ist, geht man
am besten beim Betreten des Restaurants zur Toilette, um die Hände
zu waschen und seine Schönheit etwas aufzufrischen. Man sollte diese
Dinge früher erledigt haben. Ein Gastgeber wird das Verschwinden
seiner Gäste benutzen, um die Rechnung zu bezahlen.
Wenn der Gastgeber gezwungen ist zu telefonieren, darf der Gast die
Gelegenheit nicht benutzen, um den Ober zu rufen, und schnell vor der
Rückkehr des Gastgebers die Rechnung zu bezahlen. Das ist nicht fair
und für den Gastgeber beleidigend. Er kann annehmen, dass man ihn
aus einer Verlegenheit ziehen wollte, oder dass man seine Einladung
nicht ernst genommen hat.
Wenn man keine richtige Einladung aussprach, sondern Sie einfach
bat mit zum Essen zu kommen oder beim Frühstück oder Mittagessen
Gesellschaft zu leisten, dann kann man versuchen die Rechnung zu
begleichen oder die Kosten zu teilen. Man sollte jedoch nicht darauf
bestehen. Manprotestiert ein wenig, dass es doch so nicht gemeint war,
aber man lässt sich schliesslich die »sanfte Gewalt« gefallen.
In guten Gaststätten wird die Rechnung i n der Mitte gefaltet auf
einem Teller überreicht, man will dem Gast die Gewissensbisse
ersparen, er habe seinen Gastgeber
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