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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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Proszeniums-Loge anbieten dürfen, von wo aus man
    meist von der Bühne wenig sieht, dafür aber gesehen wird. Sie können
    ruhig einen Platz wählen, dessen Preis Ihrer finanziellen Lage besser
    entspricht. Es ist traurig, aber das beste Publikum trifft man nicht
    immer auf den teuersten Plätzen. Man findet da nur das reichste
    Publikum, und Reichtum ist nicht gleichbedeutend mit Verstand und
    guten Manieren. Es ist schwer zu sagen, wer zuerst eine Platzreihe
    betritt. Wir glauben, es empfiehlt sich, die Damen zuerst eintreten
    zu lassen, auch wenn der Herr später an ihnen vorbei muss, um seinen
    Platz zu erreichen. Die Damen verlassen auch als erste ihre Plätze, den
    Saal während der Pause oder am Ende der Vorstellung. Wir stehen
    immer auf, wenn jemand an uns vorbei zu seinem Platz geht. Es wäre
    auch dann unhöflich, sitzen zu bleiben, wenn die Sitzreihen weit genug
    auseinander sind. Die Pause ist nicht dazu da, dass man sich über
    einen »unstillbaren Durst« beklagt. Der Gastgeber des Abends hätte
    diese »Einladung« vielleich gerne vermieden. Man redet auch nicht
    von seinem Hunger, wenn nach der Vorstellung kein Abendessen
    vorgesehen ist. Es ist unnötig, alle Wünsche einem armen Kerl zu
    gestehen, der zu einem Theaterbesuch einlud aber keine weiteren
    Ausgaben vorsah.
    Der Gastgeber ist für die Vorstellung, in die er seine Gäste führte,
    nicht verantwortlich. Er ist weder der Theaterdirektor, noch der
    Regisseur, noch der Autor. Es wird ihm aber dennoch keine Freude
    bereiten, wenn Sie von der erschreckenden Mirtel-mässigkeit der
    Aufführung, oder von einem primitiven Stück sprechen. Lassen wir
    ihn als ersten die Vorstellung kritisieren; und wenn er enttäuscht ist,
    seien wir nachsichtiger als er und behaupten, dass wir doch ein
    Vergnügen daran gefunden haben, auch wenn es zum Sterben
    langweilig war. Nichts zwingt einen Gast auf Fehler aufmerksam zu
    machen, die der Gastgeber vielleicht begeht. Seien wir im Gegenteil
    grosszügig und entzückt über alle Unannehmlichkeiten des Abends
    oder wenigstens scheinen wir entzückt. Und wenn es nach der
    Vorstellung in Strömen regnet und wir kein Taxi finden können, fassen
    wir die Sache mit Humor auf, — wenn wir noch den nötigen Schwung
    haben darüber zu lachen. Werfen wir nicht unserem unglücklichen
    Gastgeber vor, dass er den Wetterbericht nicht hört, — der übrigens
    ganz sicher strahlendes Wetter vorausgesagt hatte! Es ist auch nicht
    der richtige Moment, um voll Neid und Bitterkeit von den Glücklichen
    zu sprechen, die in einem Mercedes an uns vorbeibrausen!
    IM RESTAURANT.
    Für das Betreten eines Restaurants, gelten besondere Vorschriften,
    wenn sich Damen unter den Gästen befinden. Damen betreten nicht als
    erste das Lokal. Zuerst tritt immer der Gastgeber ein. Ihm folgen die
    Damen in der Reihenfolge ihrer Bedeutung. Den Schluss bilden die
    Herren. Diese Regel gilt nicht, wenn nur Herren beisammen sind.
    Heben Sie eine Dame in ein Restaurant eingeladen, die glaubt, als erste
    eintreten zu müssen, so wäre es ungalant von Ihnen, sie am Eingang
    überholen zu wollen. Sie sollen sie nicht verletzen, indem Sie um jeden
    Preis Ihre gründlichere Kenntnis der guten Manieren beweisen.
    Sie müssen unbedingt einen Tisch für Ihre Gäste bestellt haben; wenn
    nicht schon früher, dann wenigstens telefonisch fünf Minuten bevor Sie
    das Lokal betreten, damit Sie wissen, ob Plätze frei sind. Lassen Sie
    nicht Ihre Gäste von einem Tisch zum andern spazieren, damit sie
    selbst feststellen können, wie gut besucht das Lokal ist, in das S>ie sie
    führen wollten. Es ist unangenehm — auf die Suche nach einem
    anderen Lokal gehen zu müssen, nachdem man freudig und
    erwartungsvoll die angenehmen Düfte jener köstlichen Gerichte
    eingeatmet hat, die man nun nicht kosten soll. Ihre Gäste werden sich
    immer geschmeichelt fühlen, wenn sie von einem zuvorkommenden,
    vorher unterrichteten Empfangschef oder Ober begrüsst werden.
    Vergessen wir nicht, dass auch ein Essen mit Geschäftspartnern eine
    Entspannung sein soll. Ob Sie die Dame Ihrer Träume oder einen
    Petroleumkönig entzücken wollen, die Regeln des Charmes und
    Erfolgs sind ungefähr die gleichen.
    DER RAHMEN.
    Jedermann schätzt ein Essen, das sich in einem ruhigen, ja
    beruhigenden Rahmen abspielt. Wählen Sie ein Restaurant, das weder
    zu übervölkert, noch zu mondän ist, und legen Sie mindestens
    ebensoviel Wert auf die Bedienung wie auf die gute Küche. Verzichten
    Sie

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