Der Gute Ton 1950
werden — heisst es richtig;
nicht aber: hoffentlich wird er glücklich.
Und nochmals der Konjunktiv. Es heisst nicht:
Wenn er kommen würde, würde ich mich freuen, sondern vielmehr:
Wenn er käme, würde ich mich freuen.«
Auch die indirekte Rede in der Vergangenheit ist recht gefährdet. Es
ist nicht richtig, wenn man sagt: »Er behauptete, er wäre krank«, es
muss heissen: »Er behauptete, er sei krank«.
Oft sprechen wir einen Satz gedankenlos aus und ahnen nicht, dass
unser Gesprächspartner lachen dürfte: z. B.:
»Der Tisch wurde in die Werkstatt gebracht, um
die Platte abzuhobeln«.
Indes steht der Tisch da und kann sich nicht rühren. Muss nicht der
Tischler hobeln? Darum:
»würde der Tisch in die Werkstatt gebracht, weil die Platte abgehobelt
werden sollte.«
III.
DIE ELEGANZ UNSERER HALTUNG
Wir sind nicht allein Herr unserer Haltung und unserer Bewegungen.
Aeussere Umstände sind hier leider mitbestimmend. Ein Mann, der
nur 1 m 50 gross ist, kann nicht die gleichen Bewegungen haben, wie
ein »Junge«, der zwei Meter überschritten hat. Letzterer wird bestrebt
sein, nicht aufzufallen, und sich möglichst klein zu machen, indes sich
der erste im Gegenteil bemüht, nicht einen Millimeter von seiner
Grösse zu verlieren. Er wird unbequem sitzen, falls es notwendig ist,
damit seine Füsse nur ja den Fussboden berühren. Ein Grundsatz ist
aber für alle gültig: Versuchen wir nicht aufzufallen, wenn wir kein
Star sind. Und selbst ein Star muss nur auf der Bühne auffallen.
DER GANG.
Was gibt es unklugeres als diese Mutter, die ihrem Kind auf der
Strasse unaufhörlich zuruft: »Halte dich gerade«. Ihr Ratschlag ist gut,
aber es ist nicht der richtige Augenblick, um ihn zu erteilen. Vielleicht
genügt er auch nicht. Vielleicht
müsste das Kind zu einem Arzt oder einem Gymnastiklehrer geführt
werden, der den Grund für seine erschöpfte oder schlechte Haltung
feststellt.
Der gute Ton und die Hygiene sind sich darin einig, dass wir uns
gerade halten sollen, ohne natürlich steif wie ein Stock zu stehen oder
zu sitzen. Ein junges Mädchen sollte keinen zu männlichen Gang
annehmen, sie soll nicht marschieren, auch wenn sie überzeugt ist, dass
es für ihre Lungen gut ist; sie soll aber auch nicht versuchen zu
schweben. Gehen ist nicht Tanzen! Auch die Arme sollten nicht hin
und herpendeln! Es scheint, dass zu ausgiebig betriebener Sport einen
ungünstigen Einfluss auf die Anmut der Bewegungen der jungen
Generation ausübt. Es ist nicht angebracht, auf der Strasse die gleichen
Bewegungen wie beim Diskuswerfen zu machen, und wenn man in der
Freizeit reitet, braucht man nicht breitbeinig einherzugehen, wenn man
wieder auf Erden wandelt. Man wird uns vielleicht vorwerfen, dass
wir altmodisch sind, aber es steht fest, dass die Walzertänzer von 1900
einen schöneren, anmutigeren Gang hatten, als die Boogie-Woogie-
Tänzer von 1950.
DIE BEWEGUNGEN.
Es gibt Menschen, die mit den Händen reden. Man muss immer
fürchten, dass sie uns an der Gurgel fassen, wenn sie eine Würgeszene
schildern. Das ist eine gewöhnliche und beinahe gefährliche
Angewohnheit. Bewahren wir unser kaltes Blut und seien wir nicht zu
überschwenglich.
DIE KUNST RICHTIG ZU SITZEN.
Es gab einmal eine Zeit, in der es als unanständig galt, besonders für
Damen, die Beine beim Sitzen übereinander zu schlagen. Heutzutage
ist es noch nicht erlaubt, die Füsse auf den Tisch zu legen (was
ungefähr ebenso gesund wie unpassend wäre), aber man darf bei jeder
Gelegenheit die Beine kreuzen. Damen sollten allerdings nicht
versuchen Marlene Dietrich im »Blauen Engel« zu kopieren, und die
Herren sollten vermeiden, dass man ihre Haare an den Waden bei
dieser Gelegenheit bewundern kann. Man soll auch nicht drei- oder
viermal aufstehen oder hin- und herrutschen, bis man schliesslich die
richtige Sitzlage gefunden hat. Man kann seine Kleidung schonend
behandeln, ohne den Rock hinaufzuziehen, bevor man sich setzt. Das
ist eine unschöne Angewohnheit. Ein Mann zieht unauffällig seine
Hose an den Knien etwas in die Höhe, um die Bügelfalte beim Sitzen
nicht zu verderben. Er sollte aber nicht geziert wie ein Mannequin
dasitzen, damit ihm jeder ansieht, dass er am liebsten die Falten gleich
aufbügele.
DAS MIENENSPIEL.
Es gibt Menschen, die ihre Rede mit übersteigerter und rasch
wechselnder Mimik begleiten. Alles ist ihnen Anlass, um eine gezierte
Haltung, eine Pose einzunehmen. Sie
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