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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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hier mit mir auf, einem israelischen Touristen. Wie wird er darauf reagieren? Wird ihn das stören?«
    »Wir waren bloß Freunde. Als ich in L. A. war, wohnte ich bei ihm. Es war alles ziemlich simpel und beiläufig, weiter nichts.«
    »Es wird ihm nichts ausmachen, meinst du?«
    »Nicht im geringsten.«
    »Schön«, sagte Enron. »Dann rufst du ihn jetzt an. Residencia San Tomás in Santiago. Verlang Dudley Reynolds zu sprechen. Sag ihm, du bist hier mit einem israelischen Journalisten, den du in San Francisco getroffen hast, und sag ihm, dass ich sehr gern so bald wie möglich mit ihm sprechen möchte.«
    »Soll ich sagen, worüber ihr reden wollt?«
    »Nein. Das kann er sich selbst denken. Ruf jetzt an.«
    »Also gut.« Jolanda gab die Zahlen ein, und fast sofort meldete sich eine synthetische Stimme: »Mister Reynolds befindet sich nicht in seinem Zimmer. Soll ihm eine Nachricht übermittelt werden?«
    »Hinterlass deinen Namen und unsere Zimmernummer hier im Hotel«, befahl Enron. »Bitte ihn, jederzeit zurückzurufen, sobald er zurück ist.«
    »Und was jetzt?«, fragte sie hinterher.
    »Jetzt rufst du Farkas an und lädst ihn ein, mit uns zu dinieren.«
    »Aber sollten wir nicht besser warten, bis …?«
    »Manchmal habe ich es satt zu warten«, sagte Enron. »Es ist ein kalkuliertes Risiko. Ich muss die Dinge etwas beschleunigen. Also, ruf Farkas an!«
     
    Sie verabredeten sich in Cajamarca in einem Café dicht am Außenrand, nicht weit entfernt von Farkas' Hotel. Dass sie sich an einem Ort trafen, der so quasi sein eigener Rasen war, erschien Enron als eine gute Idee. Er wollte, dass Farkas sich sicher fühlte, entspannt, locker. Wir schaffen uns eine großartige neue Freundschaft, wir zwei, wo wir sowieso schon verbunden sind durch unsere uralten Erinnerungen an Caracas, und jetzt durch unsere brüderliche Vertrautheit mit der grandiosen Körperlichkeit von Jolanda Bermudez, so dachte er sich das. Wir können einander trauen. Wir können einander bedeutsame Geheimnisse anvertrauen, die uns beiden nützen. Ja, genau.
    Farkas kam verspätet in das Café. Das fand Enron ärgerlich. Doch während sie warteten, behielt er sich strikt unter Kontrolle, bestellte sich einen alkoholfreien Drink und einen zweiten. Jolanda trank etliche Cocktails, blaugrünliche Longdrinks, die Enron nicht kannte, die aber wahrscheinlich süßlich und klebrig waren. Dann, endlich, mit fast halbstündiger Verspätung, kam der Augenlose herein.
    Als er Farkas so grandios, fast königlich hereinschreiten sah, war Enron sich auf einmal gar nicht mehr so sicher, ob es ihm so leicht werden würde, eine Art kumpelhafter gegenseitig profitabler Manipulationsbasis zu bauen. Er hatte vergessen – oder sich vielleicht auch nie die Mühe gemacht, zu bemerken –, was für eine dominierende Gestalt dieser Farkas war: extrem groß, beinahe ein Riese, mit breiten Athletenschultern und geschmeidigen Bewegungen. Es war nicht nur Faszination durch das Besondere, was Jolanda zu ihm hingezogen hatte. Farkas bewegte sich mit wunderbarer Selbstsicherheit zwischen den Tischen hindurch, ohne je anzuecken, nickte und winkte dem Barkeeper und den Obern, dem Hilfskellner, sogar ein paar anderen Gästen zu.
    Und er war so verdammt sonderbar . Wie zum ersten Mal erblickte Enron mit vor Staunen und Ekel gemischtem Blick diese hohe weiße Halbkuppel seines Schädels wie ein Stück Marmor auf dem langen muskulösen Nacken, diese schimmernde Stirn, die sich ohne Unterbrechung vom Nasenrücken zum hohen zurückgesetzten Haaransatz erstreckte. Er wirkte fast nicht menschlich. Wie eine sonderbare Mutantenkreatur mit einem Monsterkopf auf einem Menschenkörper. Aber natürlich war er ja genau das – ein scheußlicher Mutant.
    Da ist geschicktes Vorgehen vonnöten, dachte Enron.
    Doch im Grunde war er überzeugt, dass alles gut gehen werde. So war er immer. Und bisher hatte er da auch stets richtig gelegen.
    Farkas glitt mühelos auf den freien Platz zwischen Enron und Jolanda. Er nickte grüßend und lächelte Jolanda zu, mit genau der richtigen Mischung aus Takt und Freundlichkeit und streckte fast gleichzeitig Enron herzlich die Hand hin. Enron gefiel das. Was sich vorher zwischen Farkas und Jolanda abgespielt hatte, wurde wortlos bestätigt, ohne es ihm, Enron, direkt unter die Nase zu reiben.
    »Ich bedaure meine große Verspätung«, sagte Farkas. »Aber gerade als ich gehen wollte, kamen ein paar dringende Anrufe für mich. Musstet ihr lange warten?«
    »Nur so

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