Der hellste Stern am Himmel
jemandem wie Ihnen verabreden. Sie sind zu alt. Zu … Sie langweilen mich zu Tode … Sie sind ein bisschen mitgenommen wegen der sexy Schullehrerin, aber die lässt Sie wieder rein. Frauen wie sie machen das immer.«
»Ich heiße Conall Hathaway. Sie gefallen mir. Ich melde mich bei Ihnen.«
»Machen Sie, dass Sie rauskommen, Sie Spanner. Wahrscheinlich wollen Sie auch noch eine Quittung. Leute wie Sie wollen immer eine.«
»Von wem sind die Blumen?«, fragte Andrej.
»Von einem Verrückten.«
Andrej verzog das Gesicht.
»Was ist?«, sagte sie.
»Ich habe nichts gesagt.«
»Ja, aber du hast gedacht, ein Mann, der mir Blumen schickt, muss ein Verrückter sein.«
»Ich habe nichts gesagt«, wiederholte er mit Unschuldsmiene.
Sie blitzte ihn an, ließ es aber dabei bewenden.
SECHSUNDDREISSIG TAGE …
Fionn stand vor dem Haus, hinter ihm war die Haustür offen. Während er so tat, als würde er die Sterne betrachten, beobachtete er Maeve durch einen Spalt im Wohnzimmervorhang. Er sah sie auf dem Boden sitzen und in gleichmäßigem Tempo etwas aus einem Karton
essen; was es war, konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen, die Entfernung war zu groß, aber es sah aus wie Johannisbeer-Flapjacks. Vielleicht nicht Johannisbeere, es konnte auch Brombeere sein oder auch Heidelbeere, aber eindeutig ein rechteckiges Gebäck mit dunkler Füllung.
»Was treiben Sie denn hier, junger Mann?« Zwei vorüberschlendernde Polizisten unterbrachen seine angestrengte Beobachtung.
»Ich stehe vor dem Haus, in dem ich wohne, und gucke mir die Sterne an.«
»Die Sterne sind da oben.« Der größere der beiden zeigte zum Himmel hinauf, und erst, als Fionn den Blick hob, trollten sie sich.
Fionn sah in den tiefblauen Abendhimmel, wartete, dass die blau Uniformierten um die Ecke verschwanden, und ärgerte sich über jeden Moment, den er Maeve nicht fest im Blick hatte. Die Sterne konnte er sowieso nicht richtig erkennen, nicht in der Stadt, wo das Wunder der Natur überall von der künstlichen Beleuchtung überstrahlt wurde. Das Ringen mit der Natur . Die Wendung gefiel ihm. Er überlegte, ob Grainne ihm erlauben würde, sie zu benutzen. Möglich war es, man konnte bei ihr nie wissen. Aber vielleicht auch nicht, Grainne war eine harte Nuss … Aus irgendeinem Grund wurde sein Blick abgelenkt, und im Licht der Straßenlaterne sah er eine weibliche Gestalt auf sich zukommen. Im nächsten Moment tanzten Kometen und Sterne, Farben und Spiralen vor seinen Augen – Fionn hatte sich schon wieder verliebt.
Wie jemand, der eine neue Fähigkeit entdeckt, wie
zum Beispiel Eierkuchen backen oder Einrad fahren, brannte Fionn darauf, das Verlieben möglichst oft auszuprobieren. Und als er in einem Taumel der Liebe auf diese neue Frau, diese taufrische kleine Köstlichkeit, wartete, wanderte ein freundlicher Gedanke zu Maeve, und er wusste, dass er sich immer gern an sie erinnern würde, seine erste Liebe. Aber schon jetzt kam Maeve ihm grob und ungepflegt vor – was sollte bloß diese schlabberige Cordhose? –, eher der Typ Frau, für den ein jüngerer Mann, einer, der weniger erfahren in der Liebe war, entbrennen würde. Dieses neu aufgekommene Gefühl war anders, unendlich viel feiner, denn Fionn war jetzt viel erwachsener, er war zum Mann geworden.
Er lenkte seinen liebenden Blick auf den schwingenden Rock der sich nähernden Vision, auf die schmale Taille, den wippenden Pferdeschwanz. Ein Ausdruck, von dem er nicht wusste, dass er ihn kannte, kam ihm plötzlich in den Sinn: farblich abgestimmt . Schuhe, Gürtel, Handtasche. Eine bestickte Bluse. Ein zurückhaltendes Mädchen, wie aus alter Zeit, aus den frühen Achtzigern vielleicht. Er wusste mit unerschütterlicher Gewissheit, dass sie einen Knopf annähen konnte. Er stellte sich vor, wie sie einen Faden über ihre sinnliche Unterlippe legte und mit einem gekonnten Biss ihrer kleinen weißen Zähne durchtrennte.
Fionn trat einen Schritt vor, um ihr den Weg abzuschneiden. Er war machtlos, er konnte sich nicht zurückhalten. »Hallo«, sagte er.
Sie blieb stehen. Sie blieb tatsächlich stehen! »Hallo.«
Sie war so nah, dass er das zierliche goldene Kreuz sah, das um ihren schlanken weißen Hals hing.
»Ich stehe hier und betrachte die Sterne«, sagte er.
»Jeder muss ein Hobby haben.«
»Sehen Sie den da?« Er zeigte auf einen Stern von intensiver Leuchtkraft. »Das ist der Planet Venus. Er ist gar kein richtiger Stern.«
»Wer hätte das gedacht? Aber er sieht wie ein Stern
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