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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Puppenstube sein müdes Haupt gebettet hatte. Und als die irische Lydia auf der Bildfläche erschien, waren Andrej und Jan von ihren angemessen miniaturhaften Dimensionen so begeistert, dass ihnen nicht auffiel, was für ein böser kleiner Kobold sie war.
    Jetzt zahlten sie den Preis dafür.
    Sie diskutierten endlos über das Warum. Warum war sie so unfreundlich? So faul? Und so gemein?
    Andrej erklärte Jan, dass sie vielleicht nie eine Antwort darauf finden würden. Wahrscheinlich war es am besten, so Andrej, Lydias hässliches Wesen als eine Tatsache hinzunehmen, unvermeidlich wie der Regen und alles andere in diesem feuchten, unfreundlichen Land.

    Nachdem die jungen Männer sich gewaschen und angezogen hatten, gingen sie auf die Straße hinaus, wo sie voller Sarkasmus feststellten, dass es zur Abwechslung einmal nicht regnete. Dann gingen sie den zehn Minuten langen Weg zur Haltestelle der Luas-Vorortbahn, von der aus sie in verschiedene Richtungen fuhren: Andrej nach Osten zum Industriegelände, Jan nach Norden in ein Einkaufscenter.
    Jan erklärte gern, dass er eine Stelle in der IT-Branche hatte, was in gewisser Weise auch stimmte, denn er arbeitete in einem riesigen Supermarkt, wo er die über Internet eingegangenen Bestellungen zusammenstellte. Er verbrachte seine Tage damit, die Gänge auf und ab zu gehen und dabei einen großen Wagen vor sich herzuschieben, an dem zwölf Einkaufskörbe hingen, jeder für einen Kunden mit einer eigenen Einkaufsliste. Wenn er
alle Waren auf allen zwölf Listen gefunden und in die korrekten Körbe gefüllt hatte, brachte er sie zum Ladebereich, von wo aus ein Lastwagen sie in Dublin verteilte, dann ging er zum Drucker, holte sich zwölf neue Einkaufslisten, hängte zwölf leere Einkaufskörbe an seinen Wagen und begann die Prozedur von neuem. Er verlor den Überblick, wie oft er das an einem Tag tat.
    Auch Andrej arbeitete in der IT-Branche. Nur tat er es wirklich. Er fuhr mit einem weißen Lieferwagen in der Stadt herum und reparierte defekte Bürocomputer. Der Lieferwagen selbst nahm viel Platz in seinem Denken ein, denn Andrej war ein pragmatischer Mensch, und es bekümmerte ihn, dass er den Wagen jeden Abend abstellen musste, der dann vierzehn Stunden nutzlos auf dem Parkplatz stand, obwohl Andrej ihn doch für seine eigenen Zwecke benutzen könnte – zum Beispiel, um Rosie abzuholen. Er träumte davon, dass er vor dem Haus, in dem sie mit vier anderen Krankenschwestern wohnte, anhielt und auf die Hupe drückte und dass sie die Stufen heruntergeflogen kam, ein Ausdruck der Bewunderung für den Lieferwagen auf ihrem herzförmigen Gesicht. Seit zwei Monaten und acht Tagen ging er mit Rosie (einem irischen Mädchen, das aber in jeder anderen Hinsicht ganz anders war als der böse Kobold Lydia), und bisher hatte sie sich geweigert, ihm ihre Jungfräulichkeit zu schenken. Der muskulöse, blauäugige, attraktive Andrej hatte gewöhnlich keine Mühe, bei den Damen zu landen, aber Rosies altmodische Tugendhaftigkeit beeindruckte ihn tief, und seine ursprüngliche Lüsternheit hatte sich in viel kompliziertere Gefühle gewandelt.
    SECHZIG TAGE …
    Im Erdgeschoss der Star Street 66 wurden Matt und Maeve von einem Zen-Wecker sanft aus ihrem Schlummer geweckt, mit einem Pling-Plong, das so klang wie das Läuten der Glocke um den Hals einer tibetischen Ziege. Die einzelnen Töne – als würde jemand ein Plättchen auf einem Xylofon anschlagen – schwollen über zehn Minuten an und mündeten in ein heiteres melodisches Glockenspiel. Nicht unbedingt Matts Geschmack. Er schien mehr der Typ für einen Wecker mit einem schrillen elektronischen BRRRING, das alle Nerven im Körper in Aufruhr brachte und ihn aus dem Bett scheuchte, worauf er sich wie Tarzan auf die Brust klopfen und brüllen konnte: »Aufgepasst, Welt! Jetzt komme ich!«
    Aber Maeve wollte die Glocken, also bekam sie die Glocken. Außerdem bekam sie ein ausgedehntes Frühstück. Matt, so vermute ich, hätte sich auch ohne weiteres ein Snickers einverleibt, während er schon aus der Tür stürzte, stattdessen machte er für Maeve Tee, und Maeve machte ihm Porridge, dann setzten sie sich an die Küchentheke, agierten spiegelbildlich und sorgten dafür, dass für jeden Orangensaft und Honig und andere Frühstückszutaten griffbereit waren.
    Auf der Fensterbank in der Küche stand ein verschnörkelter Silberrahmen mit ihrem Hochzeitsfoto. Sehr strahlend und schön, die beiden, das muss ich zugeben. Besonders Maeve. Nach dem

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