Der hellste Stern am Himmel
doch nicht sein, Auto zu fahren, und sie müsse
unbedingt extra dafür berechnen, falls Peggy Routhy die Sitze mit ihrem Fruchtwasser beschmutzte.
Die Duffys waren eine Taxi-Dynastie. Auggie war der einzige Taxifahrer in der Stadt gewesen, mit drei oder vier Fahrern, die für ihn arbeiteten, und mit – was viel wichtiger war – einem Funkgerät. Das Funkgerät, das Macht verlieh. Wer das Funkgerät besitzt, ist auch Herr der Straße. Und wer Herr der Straße ist, ist auch Herr der Welt. Das Funkgerät stand im Wohnzimmer der Duffys, knisterte vor sich hin und hielt die Duffys ständig auf Trab. Das Gerät gab keinen Moment Ruhe, aber manchmal empfingen sie den Polizeifunk, dann luden sie die Nachbarn ein, mit denen zusammen sie zuhörten und sich lustig machten.
Ein Taxiunternehmen von einem Privathaus aus zu betreiben, bedeutete Chaos. Zu jeder Tages- und Nachtzeit konnte jemand anrufen oder ans Fenster klopfen. (Mit Rücksicht auf das Privatleben der Duffys klopften die, die mit dem Taxi fahren wollten, ans Fenster, während Freunde der Familie zur Tür kamen.)
Es war immer schwierig, Steuern und Versicherung oder überhaupt etwas zu bezahlen, und Auggie Duffys Einkommen reichte nie aus, um ein Haus zu kaufen und eine Hypothek zurückzuzahlen.
Aber obwohl das Leben der Duffys mühsam war, war es doch keine Katastrophe, bis zu dem Tag, da Auggie Duffy das Kommunistische Manifest las. Das hatte eine tiefe Wirkung auf ihn. Der Schlüssel zum Reichtum lag darin, wenn er Karl Marx richtig verstand, in den Besitz der Produktionsmittel zu gelangen. Aber er, Auggie Duffy, würde die Grundidee des Kommunismus subversiv
umdeuten und erfolgreich zu kapitalistischen Zwecken anwenden. Jawohl! Da mussten die Leute früher aufstehen, wenn sie ihn ausbooten wollten.
Ausgerüstet mit der neuen Theorie, überredete er eine Bank irgendwie, ihm so viel Geld zu leihen, dass er vier Autos kaufen konnte, dann informierte er seine Fahrer, dass sie fortan ein Auto von ihm mieten müssten. Aber warum, so überlegten sich diese Männer, sollten sie ein Auto von Auggie Duffy mieten, wenn sie doch eigene Autos hatten? Auggie erinnerte sie daran, dass er das Funkgerät besaß. Wer das Funkgerät besaß, war Herr der Straße, klar? Aber die Fahrer – das hätte Karl Marx bestimmt gefallen – revoltierten. Die Männer besaßen nämlich alle Handys, und einer hatte die kluge Idee, kleine Karten drucken zu lassen (Corinnes Schreibwarenladen druckte tausend Stück für zehn Euro), auf denen ihre Handynummern standen. Diese Karten verteilten sie in der ganzen Stadt – in den Pubs und den Drogerien, hängten sie an das Schwarze Brett der Kirche, und da sie Auggie Duffys Preise unterboten, hatten sie bald regen Zulauf.
So fand Auggie sich unerwartet in einer Position wieder, wo er ein großes Bankdarlehen und fünf Autos (vier neue plus sein altes) hatte und niemanden, der sie für ihn fuhr. Seine Söhne Murdy, Ronnie und Raymond sowie seine Frau Ellen wurden als Fahrer zwangsverpflichtet. Jede Sekunde, die eins der Autos untätig am Straßenrand stand, tat Auggie weh. Keine Fuhre wurde jemals abgelehnt.
Als dann Peggy Routhy sich meldete und Auggie, Ellen, Murdy und Ronnie unterwegs waren (zu dem Zeitpunkt
hatte Raymond sich nach Deutschland abgesetzt, um sich der Tyrannei des Funkgeräts zu entziehen), hatte Auggie bei dem Gedanken, dass er eine Fuhre verlieren könnte, einen Anfall. Lydia war zwar erst fünfzehn, aber sie war eine geschickte kleine Autofahrerin. Sehr fähig. »Übernimm du das«, befahl er ihr.
»Ich habe keinen Führerschein.«
»Stimmt. Lass dich also nicht von der Polizei erwischen.«
»Ich bin nicht versichert.«
»Dann pass auf, dass du niemanden totfährst. Und denk dran, was ich gesagt habe. Achte darauf, ob die Sitze verschmutzt sind.«
Peggy kroch vor der Haustür der Duffys auf allen vieren herum und brüllte vor Schmerzen, während Billy Routhy ans Fenster hämmerte und rief: »Lydia, jetzt komm schon, sonst kriegt sie das Kind noch hier vor der Tür.«
Ergeben in ihr Schicksal nahm Lydia den Schlüssel für den Corolla vom Haken und stellte sich der Aufgabe; sie fuhr die siebzehn Kilometer ins Krankenhaus, überschritt die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der ganzen Strecke, während Peggy stöhnte und sich hinten im Fond wand. Am Ziel angekommen, beeilten sich die Routhys, aus dem Auto zu kommen, und liefen auf das Krankenhausportal zu, aber Lydia rief sie zurück und knöpfte ihnen den Fahrpreis ab. Und
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