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Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Weichheit. Er legte seine Hand auf die ihre und lächelte zu ihr hoch. Sollte sein Vater getrost sehen, daß sie ihm gehörte, ihm allein. Nicht nur, daß er sie begehrte und bewunderte, sie humorvoll und aufreizend fand, er liebte sie. Es war ein Gefühl, das nicht mit seinen Gefühlen für Kiris Mutter Sarla zu vergleichen war. Er hatte geglaubt, sie zu lieben, doch das war ein Irrtum. Seine Gefühle für Sarla, das war ihm mittlerweile klar, waren eine Mischung aus Mitleid und Zorn darüber, wie ihr Ehemann sie behandelt hatte. Und er hatte sie begehrt, weil er den Wunsch hatte, sie zu beschützen und ihr ebenbürtig zu sein. Er wollte sich beweisen, daß er kein Sklave war, sondern ein Mann, der seine Frau beschützen und ernähren konnte. Er verwechselte Fleischeslust mit Zuneigung. Und für Chessa empfand er tiefe Zuneigung. Er liebte sie. Seine Liebe zu ihr wuchs von Stunde zu Stunde. Und sie würde fortdauern, bis sie beide zu Staub zerfielen. Er wußte, daß sie ihn ebenso liebte. Das war ihm anfangs unbegreiflich, denn er war ein durchschnittlicher Mann, nichts Besonderes, sogar ein ehemaliger Sklave, und sie hatte nicht einmal die entstellende Narbe in seinem Gesicht bemerkt, sondern fand ihn von Anfang an schön und begehrenswert. Er hatte geglaubt, sie spiele ihm etwas vor, bis sie ihn vom Gegenteil überzeugt hatte. Er lächelte, und sein goldbraunes Auge strahlte wie die Sonne. »Ich zeige dir die Stelle, wo wir unser Haus bauen.«
    »Ja, darauf freue ich mich«, entgegnete Chessa und küßte ihn auf den Mund. Vor Varrick. Er wußte, daß sie ihn küßte, weil sie ihm in die Augen und in die Seele geschaut hatte. Und das wußte auch Varrick.

KAPITEL 25
    Merrik, Laren und die Malverneleute verließen Kinloch an einem klaren Morgen. Chessa war überzeugt, daß der Nebel an diesem Tag nicht siegen würde. Eller schnüffelte in die Luft und brummte: »Kein schlechter Tag.«
    Chessa und Cleve mit Kiri auf dem Arm winkten, bis beide Schiffe um eine Biegung verschwunden waren. »Das ist jetzt unser Zuhause«, sagte Chessa.
    »Papa, laß mich runter. Ich will Caldon suchen. Ich habe sie seit zwei Tagen nicht gesehen. Sie vermißt mich. Ich sagte ihr, daß ich ihre Kinder kennenlernen möchte.«
    Cleve stellte die Kleine auf den schmalen Pfad, der zu der weit in den See ragenden Holzmole führte. »Sie hat eine noch blühendere Fantasie als Laren, die das Ungeheuer leider kein zweites Mal zu sehen bekam. Sie wird tagelang bedrückt sein.«
    »Laß uns wieder an die Arbeit gehen«, meinte Chessa energisch. »Ich möchte bald im eigenen Bett schlafen.«
    Varrick schaute ihr jeden Tag auf den Bauch und erkundigte sich nach ihrem Wohlbefinden. Sie lächelte jedesmal selig und schwieg.
    Auf Kinloch begann sich allmählich eine Veränderung einzustellen. Gelegentlich wurde gelacht, und die Männer trugen beim Essen und Trinken oder bei der Arbeit ihre Meinungsverschiedenheiten aus. Die Kinder, angeführt von Kiri, kämpften mit Holzschwertern, spielten mit Lederbällen, rannten durchs Haus, rauften und kugelten auf der Erde. Die Frauen plauderten beim Spinnen und Weben. Varrick verfolgte das alles mit düsterer Miene, erhob aber keine Einwände. Chessa lachte mehr denn je in ihrem Leben, nicht weil sie alles so lustig fand, sondern weil sie wollte, daß die Bewohner von Kinloch begriffen, daß Lachen etwas Wunderbares ist, und daß man ungestraft lachen durfte. Oft beobachtete sie Cayman, die nach wie vor nur das Nötigste mit Cleve und ihr sprach und nie ungefragt ein Wort, einen Gedanken, eine Meinung von sich gab. Die meiste Zeit streifte sie durch die Wälder. Arganas Söhne nannten Cayman eine Verrückte, die den Ziegen Lieder vorsang und den Felsen seltsame Zaubersprüche zuraunte. Dabei warfen die Knaben ihrem Vater verstohlene Blicke zu.
    Der Tag, an dem Chessa Athols Bein brach, begann als eintönig grauer Nebeltag, der sich in einen strahlenden Morgen verwandelte. Es duftete frisch und würzig. Ein Falke ließ sich auf dem hohen gezackten Felsen nieder, der die Ostgrenze ihres neuen Anwesens bildete. Alle Männer arbeiteten am Hausbau. Der Hof sollte Karelia heißen wie die Landenge zwischen dem Ladogasee und dem Finnischen Meerbusen, einen Ort, an den Cleve sich gern erinnerte. Als Chessa Näheres darüber wissen wollte, küßte er ihre Nasenspitze und sagte, dieses Geheimnis werde er mit ins Grab nehmen.
    »Karelia«, sinnierte sie. »Klingt hübsch, deshalb soll unser Haus auch so heißen, Gemahl.

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