Der Herr der Falken - Schlucht
beschlossen, und das teilten sie den Frauen mit.
»Verstehe«, nickte Mirana, nachdem Rorik den Beschluß mitgeteilt hatte. »Ihr Männer habt das alles bei reichlich Bier genau durchgesprochen, nicht wahr? Wie freundlich, uns in eure Pläne einzuweihen. Ihr müßt erschöpft sein von all der geistigen Anstrengung. Willst du noch einen Krug Bier, Gebieter? Schmerzen deine Füße? Ich könnte mich auf Händen und Füßen vor dich hinlegen, damit du deine müden Füße auf meinem Rücken ausruhen kannst.«
Rorik machte ein betretenes Gesicht. »Laß deinen Spott,
Mirana! Deine Worte sind ätzend, auch wenn du dabei lächelst. Jemand mußte doch eine Entscheidung treffen. Ihr Frauen...«
Er stockte. Laren und Chessa waren herangetreten, hinter ihnen Entti, Amma, Erna, die alte Alna und sämtliche Frauen der Habichtsinsel, sie alle standen hinter ihrer Herrin, bereit, sie mit ihrem Leben zu verteidigen. Die Treue galt ihrer Herrin, nicht ihm. Er geriet in Verlegenheit und wandte sich an seinen Bruder. »Merrik, sprich mit Laren, bevor sie daraus eine Skaldengeschichte reimt und uns alle zu Teufeln stempelt. Bring ihr Vernunft bei! Und du, Cleve bring Chessa weg und sag ihr, sie soll endlich ihre Monatsblutung bekommen. Sie hat in dieser Sache keine Stimme. Ihr Vater hat die Entscheidung für sie getroffen.«
»Laren!« Merriks Stimme war die eines Befehlshabers. »Du teilst sicher nicht Miranas Meinung. Du machst dich nicht über mich lustig wie sie sich über Rorik. Und du hast nicht die Absicht, aus diesem lächerlichen Aufstand eine Skaldenmär zu reimen, stimmt's?«
»Teufel wäre eine zu milde Bezeichnung für dich, Merrik.« Seine Frau bot ihm frech die Stirn, obgleich sie ihm nur bis zum Kinn reichte.
Die alte Alna kicherte hämisch: »Wir kochen einfach nicht mehr für die Männer. Schluß mit Uttas Haferbrei. Kein Bier, kein gebratener Bärenschlegel. Was meinst du, Amma?« Die kräftige, hochgewachsene Amma grinste ihren hünenhaften Gatten Sculla an. »Was hältst du davon, Mann? Willst du zum Skelett abmagern, nur weil du blöde warst wie ein Ochse?«
Cleve unterbrach den Disput mit seiner sachlichen Diplomatenstimme: »Wir schweifen vom Thema ab. Ich werde euch Frauen nur eine Frage stellen. Ihr wählt die unter euch aus, die mir antworten soll.«
»Wie lautet die Frage?« rief Utta.
»Wen soll die Prinzessin heiraten?«
Die Frauen bildeten einen engen Kreis, und alle redeten durcheinander, bis Mirana die Hand hob. »Gehen wir vors Haus. Ich will nicht, daß die Männer uns belauschen. Sie haben gewiß gestritten, sich beschimpft und gegenseitig angeschrien, was sie aber niemals eingestehen würden. Auch wir wollen eine Geheimabstimmung treffen.«
Nachdem die Frauen das Haus verlassen hatten, schlug Rorik dem Freund anerkennend auf die Schulter. »Gut gemacht, Cleve.«
»Ja.« Merrik grinste stolz wie ein Wikinger, der eine reiche Stadt gebrandschatzt hatte. »Sie werden dieselbe Entscheidung treffen wie wir. Eine andere Lösung gibt es nicht.«
»Frauen sind anders als Männer«, gab Cleve zu bedenken. Er saß vorgebeugt auf der Bank, die Hände zwischen den Knien verschränkt und betrachtete aufmerksam sein Schuhwerk.
Die anderen Männer sprachen dem Bier zu, schärften ihre Äxte, polierten die Schwerter, spielten mit den Kindern oder zogen Kerzog an den Ohren. Die drei Verwundeten lagen in einer Ecke und verfolgten die Szene stumm und überlegten, was mit Lord Ragnor geschehen würde. Alle drei hofften, der Kerl möge tot umfallen, bevor er es schaffte, daß sie alle einen Kopf kürzer gemacht wurden.
»Papa, was ist da los?«
Aglida kletterte auf den Schoß ihres Vaters. »Mama ist böse mit dir. Was hast du angestellt?«
»Nichts, Liebling. Sowas kommt manchmal zwischen Männern und Frauen vor. Wo ist Kiri?«
»Sie ist mit Tante Laren und den Frauen nach draußen gegangen.«
»Das geht nicht gut«, brummte Cleve und schüttelte den Kopf. »Es war dumm von mir, diesen Vorschlag zu machen.«
»Sie können keine andere Entscheidung treffen«, beharrte Merrik.
»Was passiert, wenn sie ihre Monatsblutung nicht bekommt?« fragte Rorik.
»Oder sie uns verschweigt?« fügte Hafter hinzu. »Ich befehle Entti, mir die Wahrheit zu sagen.«
Die Männer gafften Hafter an, als sei ihm ein zweiter Kopf gewachsen. »Du willst Entti befehlen, für dich zu spionieren?« fragte Rorik. Und dann lachte er, verhalten zunächst, doch dann stimmten alle schallend in sein Gelächter ein und hoben die
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