Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
wenn du willst.«
    Das kleine Mädchen versuchte, sich ihr zu entziehen, aber Chessa hielt sie an sich gedrückt. Sie war so erschreckend mager, und ihr goldblondes Haar hatte jeden Glanz verloren. Chessa stand Todesängste um das Kind aus. Sie durfte gar nicht daran denken, wie Cleve zumute war. Sie flehte zu den Göttern, daß er noch am Leben war.
    »Ich will dich nicht zum Papa haben.«
    »Doch, du willst. Ich sage dir noch etwas, Kiri. Wenn dein Papa nach dem Sturm nicht zurückkommt, werden wir zwei die Männer nach York begleiten. Da ich dein zweiter Papa bin, werde ich mit Onkel Rorik darüber sprechen, er wird ja sagen, aber nur...«
    »Nur was?«
    »Nur wenn du tust, was ich dir sage.«
    »Mein Papa gibt mir nie Befehle.«
    »Doch das tut er. Du merkst es bloß nicht. Höchste Zeit, daß du einen zweiten Papa bekommst, der die Dinge tut, die dein erster Papa nicht tut.«
    »Muß ich?«
    »Ja. Und nun leg dich wieder neben mich. Ich erzähle dir eine Gesichte von einem kleinen Mädchen, das mit einer Stiefmutter aufwuchs, die ebenso schön wie böse war. Die Stiefmutter hieß Sira und das kleine Mädchen war ich.«
    »Papa fühlt sich nicht so weich an wie du. Du siehst nicht aus wie ein Papa, nicht einmal wie ein zweiter Papa.«
    »Das kommt nur daher, weil du dich noch nicht daran gewöhnt hast.«

KAPITEL 12
    Die Wellen klatschten gegen die Bootswand. Die Nacht war stockfinster, die Luft regenschwer. Mond und Sterne hielten sich hinter schweren Wolken verborgen.
    Hafter brummte: »Hoffentlich setzt der Sturm erst ein, wenn wir die Sache hinter uns haben.«
    Gunleik hatte das Kriegsschiff dem Hafen von York so geschickt genähert, daß keine der Wachen aufmerksam geworden war.
    Die Besatzung flehte in stummen Gebeten, daß ihre Freunde aus Malverne noch am Leben waren. Die erfahrenen Krieger wußten freilich, daß ihre Gebete vermutlich unerhört blieben. Ein Krieger kämpft solange, bis er zu erschöpft ist, um sein Schwert zu heben. Dann zieht er das Messer und kämpft bis zum letzten Blutstropfen weiter. Keiner sprach es aus, doch kaum einer glaubte, daß die Freunde noch lebten. Was mochte aus Merrik und Cleve geworden sein? Rorik schwieg sich auch darüber aus und ging stur seiner Arbeit nach, mit gesenktem Kopf und verschlossener Miene.
    Gunleik steuerte das Schiff langsam nordwärts. Im Hafen lagen etwa drei Dutzend Handels- und Kriegsschiffe an den Molen vertäut, und die Masten ragten leise schwankend gespenstisch in den Nachthimmel. Eine halbe Meile nördlich zogen sie das Schiff an einen steinigen Küstenstreifen, der mit Treibholz und Felsbrocken übersät war. Nirgends war das Licht einer Ansiedlung zu sehen.
    Sie versteckten das Schiff unter dicht belaubten Eichen-und Ahornästen. Dann flüsterte Rorik: »Kiri, du bleibst immer dicht bei deinem zweiten Papa. Ich würde dich gerne hier lassen, aber es ist zu gefährlich. Bei den Göttern, das ganze Unternehmen ist gefährlich.« Er war sehr beunruhigt, aber es gab keine andere Lösung. Chessa, die geschickt mit dem Messer umzugehen wußte, hatte unter ihrem Wollumhang zwei Dolche im Ledergürtel stecken.
    Das Kind ließ sich von Chessa bei der Hand nehmen.
    Rorik ging kopfschüttelnd neben Hafter her und murrte: »Wir sind Wikinger und Krieger, machen uns nach York auf, um unsere Freunde zu suchen und nehmen eine Frau und ein kleines Mädchen mit.«
    Hafter hob die Schultern. »Hör auf mit der alten Leier, Rorik. Das führt zu nichts. Die Kleine wäre verhungert, wenn wir sie nicht mitgenommen hätten.«
    »Behauptet Chessa«, brummte Rorik. Allerdings hatte Kiri auf der drei Tage dauernden Fahrt nach York brav gegessen. Schon bevor sie losgefahren waren, hatte sie die Nahrung nicht mehr verweigert. »Weil sie weiß, daß sie Cleve bald Wiedersehen wird«, hatte Chessa erklärt und Rorik dabei fest in die Augen gesehen. »Hätten wir sie auf der Habichtsinsel zurückgelassen, würde sie sterben. Bei uns hat sie eine bessere Überlebenschance.«
    Rorik war beeindruckt von dieser Frau, die so dreist und überzeugend lügen konnte. Zweiundzwanzig Krieger, Chessa und Kiri waren nach York aufgebrochen. Die Männer, bewaffnet mit Schwertern, Messern und Streitäxten, hielten ihre Schilde an der Seite und trugen Helme auf dem Kopf. Sie waren sich ihres furchterregenden Aussehens bewußt, wenn sie plötzlich aus dem Dunkel der Nacht oder aus einer Nebelbank auftauchten, mit gezückten Schwertern wilde Schreie ausstoßend und die grimmigen Gesichter

Weitere Kostenlose Bücher