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Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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unter Helmen verborgen.
    Nun schlichen sie lautlos durch die Nacht. Gunleik hatte zehn Jahre als Leibwächter von König Guntrum, dem Bruder des jetzigen Königs Olric in York gedient. Er wußte, wo die Gefangenen untergebracht waren und hoffte inständig, daß sich daran nichts geändert hatte. Vier Stunden bis zum Morgengrauen. Genügend Zeit, um Merrik und seine Kameraden zu finden, genügend Zeit auch, um zu fliehen - oder um festzustellen, ob die Freunde abgeschlachtet waren, um dann erbitterte Rache zu nehmen.
    Sie gingen einer hinter dem anderen, immer ausreichend Abstand haltend, und umrundeten die Stadt weitläufig, in deren engen, stinkenden Gassen es vor Gesindel wimmelte. Der Königspalast stand auf einem Hügel landeinwärts, und dahinter befanden sich die Baracken der Wachen und die Gefängnishütte. Das unbemerkte Anschleichen wurde immer schwieriger.
    Gunleik hatte die Männer von den Standorten der Wachen unterrichtet. Sie schlichen sich von hinten um den Hügel des Palastes an, hinter jedem Baum Deckung suchend. Vier Wachtposten wurden lautlos ausgeschaltet. Schließlich rannten sie in gebückter Haltung auf die ebenerdigen Holzbaracken zu, in denen die Soldaten untergebracht waren. An deren Ende, inmitten von Schmutz und Abfall, befand sich ein weiterer Holzbau. Die Männer flehten zu Thor, die Kameraden in dieser Hütte vorzufinden, doch zweifelten sie, daß Thor ihre Gebete erhörte.
    Nicht mehr als zwanzig Wachen hielten sich an den Toren zum Palast auf oder lungerten vor den Baracken herum, keine Patrouille war unterwegs. Die Soldaten standen gelangweilt herum, manche schienen im Stehen zu schlafen.
    Die Männer der Habichtsinsel stürzten sich jeder auf einen Wachtposten. Nach kurzer Zeit lagen die Soldaten leblos im Matsch.
    Gunleik winkte den Männern, ihm zu folgen. Vor der Gefängnisbaracke hockten ein halbes Dutzend Soldaten, die leise miteinander redeten.
    Einer von ihnen konnte gerade noch einen Warnruf ausstoßen, bevor Hafter ihm die Kehle durchschnitt. Die Angreifer standen wie angewurzelt und warteten darauf, daß weitere Soldaten aus den Baracken stürmten, doch nichts geschah.
    Rorik versuchte, die Tür zu öffnen. Sie war verriegelt.
    Sculla, dessen Arme so dick wie die Äste einer alten Eiche waren, spaltete das Holz mit einem Axthieb.
    »Wir brauchen Licht«, raunte Rorik Aslak zu, der auf die kleine noch nicht erloschene Feuerstelle zukroch und den Docht einer Öllampe daran entfachte. Ein schwacher Lichtschein erhellte die Baracke. Chessa hätte vor Erleichterung beinahe aufgeschrien. Alle Männer waren da, alle lebten. Und im nächsten Moment hätte sie beinahe vor Zorn losgebrüllt.
    Die völlig ausgezehrten Männer waren mit dicken Stricken an riesige Holzblöcke gebunden, sie waren zerlumpt und verdreckt. Der Gestank in der Baracke war überwältigend.
    »Papa!«
    Chessa hielt Kiri schnell die Hand vor den Mund und raunte ihr ins Ohr: »Still, Kiri. Das ist gefährlich. Wir wollen deinen ersten Papa befreien, aber nicht selber gefangen werden. Du darfst keinen Laut von dir geben.«
    »Aber Papa ...«
    »Ich weiß«, antwortete Chessa mit belegter Stimme, denn der Zorn schnürte ihr die Kehle zu. Sie nahm Kiri auf den Arm und rannte zu Cleve, der sie wie ein Gespenst anstarrte. Trotz der Dunkelheit glaubte sie, Angst in seinen Augen zu lesen.
    Die Männer wechselten ein paar Worte im Flüsterton, die Wiedersehensfreude schien ihnen neue Kräfte zu verleihen. Chessa fiel neben Cleve auf die Knie, zog ihr Messer und begann, an dem dicken Strick zu säbeln, mit dem er an dem Holzblock gefesselt war.
    »Bei allen Göttern«, raunte er heiser. »Bist du es wirklich, Kiri, Liebling?«
    »Ja, Papa. Ich komme, um dich zu befreien.«
    Er lachte hohl, und woher dieses Lachen kam, wußte er selbst nicht zu sagen. Er wagte nicht, Kiri zu umarmen, weil er so verdreckt war. Er war völlig benommen, glaubte zu träumen. Zu oft hatte er die Befreiung ersehnt. Aber warum hatte Rorik Chessa und Kiri auf diese gefährliche Mission mitgenommen? Er blickte seine Tochter kopfschüttelnd an. Nein, es war kein Traum. Und ihm wurde klar, daß sie verhungert wäre, wenn Rorik sie zurückgelassen hätte. Der arme Rorik. »Beeil dich«, flüsterte er Chessa zu.
    Gunleik kniete neben ihr nieder, setzte sein Messer an, und mit vereinten Kräften war Cleve bald frei.
    »Kannst du stehen?« fragte Gunleik.
    Cleve schob sich mit dem Rücken an der Holzwand nach oben, bis er endlich auf wackeligen Beinen

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