Der Herr der Unruhe
ihm, Feldw e bel Hurz erwartet ihn. Sofort !«
Das letzte Wort hatte der Feldwebel so laut geschrien, dass selbst Nico sich fragte, ob er den Zorn der Deutschen zu sehr herausgefordert hatte. Er wollte Manzini das Wa s ser abgraben, ihn für seine Verbündeten zu einem nutzlosen stinkenden Fisch machen, den sie angewidert wegwarfen, aber auf keinen Fall durfte er in Nettunia ein Massaker ri s kieren. Von Lorenzo und Bruno wusste er, dass die Deu t schen bei der Besetzung des Landes mit unvorstellbarer Grausamkeit vorgegangen waren. Wenn die Partisanen sie sabotierten, dann antwortete das Militär mit Erschießungen ganzer Weiler und Dörfer. Ihre Opfer waren Alte, Frauen und Männer, Kinder, Neu- und sogar Ungeborene – die Mordlust der Besatzer machte vor keinem menschlichen Wesen halt. Er durfte den Bogen nicht überspannen.
Zwar hätte Nico sich gerne noch die Standpauke für Ma n zini angehört, aber sein Körper lechzte nach Ruhe. Die w e nigen Geräusche, die er auf seinem Rückzug machte, gi n gen im Geprassel des Regens unter. Hoffentlich besserte sich das Wetter im Laufe des Nachmittags noch. Albino würde auch so schon sein Letztes geben müssen.
Mürrisch beobachtete Guido Valletta die Bindfäden aus Regenwasser, die sich vom Himmel in den Lichthof des Palazzo Manzini spannten. Sein Ledermantel bot gegen die feuchte Januarkälte nur unzureichend Schutz. Er sog gierig an der Zigarette, als könne sie ihn wärmen, was natürlich nur eine Illusion war. Im letzten Winter hätte er bei so e i nem Sauwetter keinen Fuß aus dem geheizten Büro gesetzt. Die Organizzazione per la Vigilanza e la Repressione dell’Antifascismo war vielleicht kein beliebter, aber wenig s tens ein organisierter Haufen gewesen. Als Geheimpolizist in der OVRA hatte er Anspruch auf eine Pension gehabt, den Mitgliedern der Banda Koch würden im Alter wohl nur die Albträume von den Heckenschützen der Partisanen bleiben. »Was soll’s«, schnaubte Valletta. Außer Bespitzeln und Töten hatte er nichts Vernünftiges gelernt.
Er trat an die Balustrade und sah auf Michelangelos A dam herab. Manzinis Konterfei schwamm, von Dutzenden dünner Fugen fragmentiert, in einer großen Lache. Don Massimiliano war ein Narr, wenn er glaubte, sich mit so l chen Kinkerlitzchen den Respekt von Menschen erschwi n deln zu können. Und schon gar nicht Gottes Beistand! Der einzige Schutzengel, auf den der Hausherr sich verlassen konnte, war er, Guido der Skorpion, wie einige ihn wegen seiner bisweilen tückischen Methoden nannten. Er schnip p te den Zigarettenstummel in den Hof hinunter und beobac h tete grinsend, wie die Glut auf dem runden Gesicht des A dam verzischte.
Von der Treppe näherten sich Schritte. Sie hallten leicht, zu laut für Donna Genovefa, dieses schweigsame Gespenst, das selbst ihn manchmal zu überraschen vermochte, aber bei weitem zu leise für Don Massimiliano, dessen Stampfen stets das ganze Gebäude erzittern ließ. Abgesehen von dem hässlichen Küchenmädchen, das ähnlich schmächtig gebaut war, konnte die Urheberin dieser zarten Laute nur ein W e sen sein. Valletta blickte zum Treppenabsatz und hielt die Luft an.
»Donna Laura«, sagte er, als sich seine Vermutung best ä tigte. Ein selten hübsches Ding, diese Tochter des Stattha l ters! Er hätte ihr allzu gerne seine Erfahrungen im Na h kampf gezeigt, aber als Manzinis Tochter war sie natürlich für ihn tabu. Und auf Komplimente reagierte sie giftig wie eine Schlange.
»Telefon, Signor Valletta«, rief sie, bevor sie ihn ganz e r reicht hatte.
»Für mich?«
»Meinen Sie, ich mache den weiten Weg zu Ihnen herauf, wenn der Anruf für Uberto wäre?«
»Warum haben Sie nicht ihn geschickt?«
»Sie wissen genau, dass er mit meinem Vater bei Gen e ralmajor Raapke ist, um diesen Vorfall beim Kühlhaus he u te Mittag zu klären. Und viel mehr Personal haben uns Ihre deutschen Verbündeten auch nicht ge-… Warum erkläre ich Ihnen das eigentlich? Benutzen Sie bitte das Telefon unten im Salon. Ins Arbeitszimmer darf ich Sie nicht lassen. Und beeilen Sie sich. Der Mann am anderen Ende der Strippe hat ziemlich ungeduldig geklungen.«
Valletta eilte, so schnell er konnte, ins Erdgeschoss hinab. Der schwarze Hörer lag neben dem Telefon.
»Pronto!«
»Korporal Valletta? Sind Sie das?«
Der Gefragte analysierte: Mann, befehlsgewohnte Sti m me, schätzungsweise zwischen vierzig und fünfzig, unb e kannt. »Wer spricht da?«
»Capitano Semperboni. Marco Semperboni. Es
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