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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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dem Tisch reichte er mir ein Päckchen, das in Küchenpapier gewickelt war.
    Ich öffnete es und nahm den Gegenstand, den es enthielt, heraus.
    Wenn ich das Ding in einem anderen Zusammenhang gesehen hätte, hätte ich mir nichts dabei gedacht. Es handelte sich um ein aufgeklapptes Rasiermesser, wie man es in jedem Eckladen der Stadt kaufen konnte, eine scharfe Stahlklinge, die in einen Messinggriff eingelassen war. Doch bei diesem Gegenstand wusste ich sofort, was ich da in der Hand hielt. Als ich das Metall berührte, würgte es mich, und vor Entsetzen schrumpften meine Hoden zusammen. Mit dieser Waffe waren schändliche Dinge gemacht, waren Taten begangen worden, die das Wesen des Messers besudelt hatten. Sein Kontakt mit der Leere hatte sich auf unsere Wirklichkeit ausgewirkt und Erinnerungen an die dortigen Monstrositäten hinterlassen. Man brauchte kein Seher zu sein, um das zu erkennen, und benötigte kein übernatürliches Wahrnehmungsvermögen – man spürte es im tiefsten Innern, in der Seele. Ich wickelte das Messer wieder in das Papier und steckte es in meinen Ranzen.
    Der Doktor hatte es ebenfalls gespürt und war in keiner Weise erbaut davon. »Davon haben Sie nichts gesagt.«
    »Davon wusste ich nichts.«
    Er stand auf. »Schicken Sie das Geld an meinen Agenten, und treten Sie nie wieder mit mir in Verbindung. Ich mag es nicht, im Dunkeln gelassen zu werden.«
    »Kann ich verstehen«, erwiderte ich.
    Nachdem er gegangen war, blieb ich noch eine Weile sitzen. Ich mochte diesen Doktor nicht und hätte ihm ohnehin keinen Auftrag mehr erteilt. Trotzdem konnte ich nicht übersehen, dass ich in der letzten Zeit eine Menge Leute dazu gebracht hatte, den Kontakt mit mir abzubrechen.
    Immerhin hatte ich jetzt, was ich brauchte. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, dass der Alte das Werkzeug, mit dem Beaconfield zwei Kinder geopfert hatte, nicht für voll nehmen würde.
    Zwanzig Minuten später war ich wieder im Torkelnden Grafen . Die ganze Angelegenheit hatte weniger als eine Stunde gedauert. Mit triumphierender Stimme rief ich einen Gruß in den Raum. Ich wusste, dass Adeline einkaufen gegangen war, erwartete aber, dass Zeisig und mein Partner da sein würden, um mich für meinen Erfolg zu loben.
    Doch der Junge war nirgendwo zu sehen. Adolphus saß mit versteinertem Gesicht am Kamin und hielt ein Blatt Papier in der Hand, das er mir kommentarlos reichte. Schon bevor ich es entfaltet hatte, ahnte ich, wie die Mitteilung lautete.
    Ich habe das Kind.
    Sie werden nichts unternehmen, bis Sie von mir hören.
    Ich zerknüllte das Papier und schalt mich einen Narren.

43
    Adolphus und ich saßen in der Ecke und beratschlagten, als Adeline mit den Einkäufen zurückkam, die sie für das geplante Festmahl brauchte. Ich selbst hätte es wahrscheinlich geschafft, sie zu täuschen, doch wenn man mit einem Mann zehn Jahre lang das Bett teilt, entwickelt man die Fähigkeit, seine Stimmung einzuschätzen. Außerdem kann sich Adolphus nicht gut verstellen. »Was ist los?«
    Adolphus und ich wechselten die Art Blick, die schlechte Neuigkeiten ankündigt, sagten jedoch nichts.
    Adeline musterte mich auf eine Weise, um die sie mancher Richter beneidet hätte. »Wo ist Zeisig?«
    Mir wurde ganz flau im Magen. »Ich habe ihn im Magierhorst gelassen«, log ich.
    »Du hast überhaupt nicht erwähnt, dass du heute Blaureiher besuchen wolltest.«
    »Ich sag dir ja auch nicht jedes Mal Bescheid, wenn ich meine Gedärme entleere. Trotzdem wird der Nachttopf häufig benutzt.«
    Sie schoss auf mich zu – mit einer Schnelligkeit, die ich ihr gar nicht zugetraut hätte – und baute sich vor mir auf. Ihre Stimme war lauter als gewöhnlich, blieb aber fest. »Hör auf, mich anzulügen! Ich bin kein Dummkopf. Wo ist er?«
    Ich schluckte schwer und nickte Adolphus zu, der den Zettel aus seiner Gesäßtasche holte und ihn ihr reichte.
    Ich weiß nicht recht, was für eine Reaktion ich von ihr erwartet hatte. Trotz ihrer sanften Gemütsart und obwohl sie es Adolphus gestattete, sich für den Herrn im Haus zu halten, war Adeline kein Schwächling. Aber andererseits hatte ich auch keine Ahnung, was Zeisig für eine Frau, die niemals Kinder gehabt hatte, bedeutete.
    Sie las den Brief mit starrer, unbewegter Miene. Dann sah sie mich ungläubig an. »Wie konnte das passieren?«, fragte sie eher verwirrt als zornig.
    »Er muss mir von der Kneipe aus gefolgt sein. Das hat er schon mal gemacht, danach hab ich ihm das verboten. Ich weiß auch nicht.

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