Der Herr der zerstörten Seelen
aber deine Weißwürste übernehm' ich.«
»Du kannst nie was dafür.«
Tommi Reinecke bestellte sich gleichfalls ein Bier und schwieg. Er hatte wenig Lust, mit Heininger über Schopi zu reden oder ihm die Geschichte von einem Mann in einer blauen Strickjacke zu berichten, der ihn von seiner Wohnungstür aus zu verfolgen versucht hatte und den er erst nach ziemlich komplizierten Manövern abschütteln konnte. Vor Heiningers ausgeschlafenem, gnadenlosem Polizistenblick schien das alles viel zu kompliziert – und zu unglaubwürdig.
»Also, was du mir da vorhin am Telefon erzählt hast, kam ein bißchen wie Kraut und Rüben …«
»Kraut und Rüben? Und was für Rüben!«
Tommi setzte sich. »Das war übrigens auch nicht mein Telefon, sondern das von meinem Nachbarn. In meinem eigenen habe ich nämlich das hier gefunden …«
Er griff in die Brusttasche seines Hemdes, fischte einen Gegenstand heraus und legte ihn auf den Tisch. Es war ein etwa daumennagellanger, runder Metallzylinder mit winzigen Anschlüssen. »Im Telefon im Hauptraum. Im Küchenanschluß war auch 'ne Wanze.«
Heiningers Augen waren wachsam geworden. »Und das Ding hier, das schleppst du natürlich im Hemd herum.«
»Wo sonst?«
»Mensch, Tommi, du bist doch nicht von gestern. Warum hast du es nicht in eine Plastiktüte gepackt? Dann hätten wir's auf Fingerabdrücke untersuchen können.«
»Warum, warum?« Tommi nahm einen Schluck Bier, einen ziemlich großen. »Weil ich wahrscheinlich zu verdammt nervös bin … Das wäre doch ein Grund?«
»Und wer versteckt so was in deiner Wohnung? Und wie bist du überhaupt draufgekommen?«
»Zwei Fragen auf einmal. Fangen wir bei der letzten an. Wie ich draufgekommen bin?« Tommi grinste schief. »Rein zufällig, Ludwig. Rein zufällig. An der Tür Lackschrammen. Das Sicherheitsschloß verkratzt … Die Wohnung – na, wie soll ich sagen? Bei mir waren die noch gnädig. Wenn ich dagegen an Do Folkert denke …«
»Die Journalistin?«
»Ja, die Journalistin.«
»Und was ist mit ihr?«
»Das ist das zweite Thema, Ludwig. Einer von denen wollte sie auf der Autobahn rammen.«
»Von denen? – Von welchen?«
»Geduld, Ludwig, Geduld. Das hast du doch bei der Polizei gelernt? Jedenfalls, als ich das Türschloß sah, bin ich wach geworden. Und außerdem: Mein Kater war auch nicht in der Wohnung.«
»Schopi?«
»Ja, Schopi. Ich hab' ihn dann gefunden. Soll ich dir sagen, wo? Auf dem Hof. Sie haben ihn aus dem fünften Stock in den Hof gefeuert. Und der ist solider Zement.«
Tommi trank wieder. Er umspannte sein Glas so fest mit der rechten Hand, daß die Finger- und Gelenkknöchel weiß hervortraten. »Das werden sie mir bezahlen. Das garantier' ich dir, Ludwig …«
Der Kommissar wußte um Tommi Reineckes Einsamkeit, wußte, wie sehr Tommi das Tier geliebt hatte. »Mein Gott, Schopi …«
»Richtig: Mein Gott …« Tommi sprach nun so leise, daß er kaum zu verstehen war. »Sind ja ganz idealistische, gottesfürchtige Leute. Sie betreiben Gottes Werke, sagen sie … Und nennen sich ja auch so ähnlich: Gottes Welt.«
»Die GW? – Du meinst, das waren die von der GW?«
Tommi Reinecke achtete nicht auf den Einwurf. »Sie haben mir die Bude auseinandergenommen. Ganz diskret, das muß man ihnen lassen. Die müssen haufenweise Einbruchswerkzeug mitgeschleppt haben. Vom Archiv bis zu meinen Socken, alles war durchsucht, 'ne Menge Arbeit haben sie sich gemacht, die Jungens … Was ich nicht weiß, ist, ob sie Schopi am Anfang oder am Schluß aus dem Fenster geschmissen haben.«
»Und du meinst, Leute von der GW? – Was wollten die? Was wollen sie von der Folkert? Arbeitet ihr zusammen an einer GW-Reportage?«
»Nein. Es geht um etwas anderes. Die glauben, wir hätten ihnen Geheimmaterial geklaut.«
Heiningers Augen wurden hart und fragend. Tommi gab ihm eine knappe Darstellung der Ereignisse und genau das Maß an Informationen, das er für richtig hielt.
»Ich könnte dir die Spurensicherung schicken. Die sind in zwanzig Minuten in deiner Wohnung.«
»Und? Was bringt das?« Tommi hatte Schwierigkeiten zu sprechen, sein Hals schnürte sich zusammen. »Die GW arbeitet in sechsunddreißig Ländern. Das behaupten die nicht nur, das tun sie auch. Da findest du keinen einzigen Fingerabdruck in eurem Archiv. Für derartige Schweinereien holen die sich doch Leute von auswärts. Und schicken sie sofort wieder weg.«
»Na ja, gibt doch noch die Interpol. Aber sonst, fürchte ich, hast du leider recht.
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