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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gewesen, hatte Kati Folkert beschlossen, das Haus in Starnberg zu verlassen und ins Fränkische zu fahren, zu einem Ort, der dicht an der tschechischen Grenze lag und den Namen ›Schloß Schönberg‹ trug. Wie es dazu kam – diese ganze Kette an Eindrücken und Ereignissen blieb für Kati merkwürdig verschwommen. Nur an die Nacht, in der sie ihren Entschluß faßte, erinnerte sie sich in allen Einzelheiten. Selbst der Kräuterteegestank von Hellas Joint war ihr gegenwärtig und die wilden Schlangenlinien, die Hellas alter Fiesta zog, als sie ihn zur S-Bahn-Haltestelle am Stiglmaierplatz steuerte. Sie stoppte so hart, daß Katis Schädel beinahe gegen die Frontscheibe schlug.
    »Und jetzt?« hatte Hella gefragt.
    Kati hatte geschwiegen.
    »Willst du wirklich noch raus nach Starnberg? Ich glaube kaum, daß du die letzte Bahn überhaupt noch erwischst.«
    Willst du wirklich nach Starnberg? – Kati sah in Gedanken das dunkle Haus am Burggarten vor sich, hörte ihre Schritte auf der Treppe, sah sich die Tür aufschließen, den Plattenspieler oder Fernseher einschalten … Willst du wirklich?
    Sie drehte den Kopf und blickte Hella an, ihr verschmiertes Make-up, die riesigen verlaufenen Lidstriche, die Frage in den Augen: Was willst du? Kati wandte das Gesicht wieder dem leuchtenden ›S‹ dort draußen auf dem kreisrunden grünen Grund zu.
    Das nicht! – Es war kein Gedanke, es war wie ein Befehl: Keine einsamen nächtlichen S-Bahn-Fahrten mehr, kein Taxi, das dich vom Bahnhof zum Burggarten bringt, kein Herumtappen in leeren Räumen, kein schlafloses Nachdenken und Im-Bett-Herumdrehen – das nicht, das nie mehr!
    Kati brauchte es nicht einmal zu sagen, Hella startete bereits den Motor. »Na, dann fahren wir doch zu mir nach Hause.«
    Hella ließ sich auf der Akademie zur Kostümbildnerin ausbilden und bewohnte derzeit das Gartenhaus eines Onkels im Norden von Schwabing. Dazu gehörte auch eine Art verglaster Verschlag, den sie ›meinen Wintergarten‹ nannte. Darin stand ein Campingbett, auf dem eine Kunststoffmatratze lag. Sie war Kati Folkerts Schlafstätte, wenn sie keine Lust hatte, nach Starnberg zu fahren.
    Sie schafften die Hermann-Vogel-Straße, ohne von einer Streife gestoppt zu werden. Bis zur Haustür mußte Kati Hella stützen, sonst wäre sie umgekippt. In der Küche holte Kati das Mineralwasser aus dem Eisschrank, füllte für Hella ein Glas und hielt es ihr hin. Sie sah schrecklich aus; sie sah aus wie eine Hexe, während ihr das Wasser aus den Mundwinkeln lief, und sie war Katis einzige Freundin, zumindest der einzige Mensch, mit dem sie reden konnte und mit dem sie sich trotz all seiner Verrücktheit und der ewigen Suche nach einem neuen ›Super-Kick‹ verstand. Im letzten Jahr hatte es ein Mädchen namens Iris gegeben: Iris Weingart; mit ihr war Kati sogar nach Spanien gefahren, doch das war lange her.
    »Willst du auch einen?« fragte Hella.
    »Was?«
    »'nen Joint. Dann kribbelt's wieder.« Hella lachte.
    Kati drehte sich wortlos ab, ging durch den kleinen Flur, durch das Wohnzimmer mit seinen dunklen Möbeln und öffnete die Tür zum ›Wintergarten‹. In der Ecke lagen zerbrochene Tonscherben. Die verdorrten Pflanzen strömten einen leicht bitteren Geruch aus.
    Kati zog sich nicht aus. Sie setzte sich auf die Liege. Der Raum war erfüllt von einem schwebenden, alles erfassenden bläulichen Licht. Der Mond? Nein, die Straßenlampe – oder beides zusammen.
    Kati preßte die Handflächen gegen ihre Augen, als könne sie damit die Bilder vertreiben, die sie quälten. Sie streckte sich aus, ohne die Kleider abzustreifen. Sie fühlte sich zu schwach dazu. Sie würde nicht schlafen, das wußte sie schon jetzt.
    Am Morgen hinterließ Kati einen Zettel auf Hellas Küchentisch: »Bin zu Ramon. Bringe Butter und Brezeln mit.«
    Der Morgen war kühl und frisch, der Himmel blitzte vor Bläue. Von irgendwoher kam das Pfeifen eines Verkehrsflugzeugs, und Kati wehrte mit Mühe diesen idiotischen Pawlowschen Reflex ab, der sie bei jedem Flugzeuggeräusch an ihre Mutter denken ließ. Sie ist nun einmal immer unterwegs, zumindest in deinem Gehirn, die hinreißende, unschlagbare Do Folkert, die dann, wenn sie zurück ist, die berühmten Folkert-Beine lässig übereinanderschlägt, den rechten Arm vom Sessel baumeln läßt und den Leuten wieder einmal erzählt, wie's in der Welt so aussieht …
    Kati nahm die U-Bahn und stieg an der Akademie aus.
    Toledo – die Buchstaben waren groß, schwarz und ziemlich

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