Der Herr der zerstörten Seelen
sagte er, »aber dann wird's noch kälter hier drin.«
Kälter? Der kleine Lichtfleck der Lampe erfaßte einen Kamin. Asche lag darin, sogar verkohlte Holzreste. Und in der Ecke gab's noch mehr Holz, trockenes Holz! Auf den Steinen um den Kamin erkannte Robert einen verrußten Tontopf und einen gleichfalls verrußten Topf aus Kupfer. Daneben standen zwei emaillierte Trinkbecher.
»Na also«, sagte Kati. »Geschirr ist da. Jetzt muß nur noch etwas in den Ofen, dann können wir kochen.«
»Kochen entfällt. Und was sollten wir denn überhaupt kochen?«
»Du könntest doch zum Beispiel einen Hasen fangen«, schlug sie vor. Er konnte nicht anders, er legte ihr die Hand auf die Schulter und lächelte. Sie aber neigte den Kopf und strich mit der Wange über seine Hand. »So was schaffst du doch?«
»Ich könnte ein Feuer machen. Dann wär's wärmer hier. Nur – das geht nicht …« Er erklärte ihr, daß der Rauch verräterisch und gefährlich sein könnte und daß es daher besser sei, bis zum Einbruch der Dunkelheit zu warten. Kati nickte und fragte, was sie denn in der Zwischenzeit tun sollten? Erfrieren etwa? Oder Freiübungen machen? Robert ging in die Ecke, schüttelte das Stroh auf, fühlte, daß die unteren Lagen trockener waren. Er drehte es um, sah die kleine Kiste, in der die Ziegenhirten, die hier wohl hausten, ihre Lebensmittel verstauten. Er zerschlug das Holz mit dem Absatz, machte mit Hilfe seines Schweizer Armeemessers kleinere Späne und ließ die Flamme des Feuerzeugs aufspringen.
»So. Für einen Tee reicht das. Und für ein bißchen Wärme auch. Außerdem ist Kistenholz so trocken, daß es kaum Rauch machen wird. Hast du Tee dabei?«
»Tee, vier Schinkenbrote, Schokolade. Zwei Äpfel und zwei Stück Original-GW-Rosinenkuchen.«
Das Feuer warf seinen rosa Schein über Katis Gesicht, über ihre Augen, die runde Stirn, den Mund, die Haare … Rosa? Rosenfingrig, dachte Tennhaff plötzlich. Und dann: Wo hast du nur dieses Wort ›rosenfingrig‹ her?
»Robert«, sagte Kati leise, »ich glaube, jetzt wird es langsam Zeit, daß du mir eine Menge Dinge erklärst.«
»Ja. Und du hast auch ein Recht darauf, Kati. Paß auf, das ist so: Die ganze GW-Geschichte fing für mich an, als ich …«
Sie sah ihn noch immer an. Es war vieles in diesem Blick, so viel, daß er nicht anders konnte, als ihn zurückzugeben.
»Nein«, sagte Kati unvermittelt.
»Was – nein?«
Sie sank auf dem Stroh zusammen. Das Feuer warf den Schatten ihrer Schulter und des Kopfes verzerrt auf die grauen Granitquader der Wand. »Ach, ich weiß auch nicht …«
»Kati, was ist?«
Tennhaff setzte sich neben sie. Er fühlte, daß sie zitterte. Sie hatte die Hände tief in die Taschen der Jacke geschoben, die Schultern waren zusammengekrümmt. Er konnte ihr Gesicht nicht erkennen, die Haare bedeckten es – aber dieses Zittern, ihr leiser, gepreßter Atem …
»Du hast Angst, Kati, nicht?«
Stille. Nur das Feuer knisterte leise, wurde heller. Lange würde es nicht brennen.
»Angst? Das weiß ich nicht … Es ist alles … alles ist so … Was soll ich denn sonst haben? Wir sind raus, das ja … Und jetzt? Was kommt jetzt?«
Er schob eine Strähne ihres Haares zur Seite. Tränen glitzerten im Licht. Robert versuchte, sich in Kati hineinzuversetzen. Er wußte ja, daß diese Reaktion kommen mußte, wußte plötzlich, daß es nicht allein der Schrecken des Absturzes, die Strapazen oder die Angst waren, sondern mehr, viel mehr: enttäuschte Hoffnung. All die Träume, die sie geträumt, all die Erwartungen, die sie in die anderen gesetzt hatte, waren mit unvorstellbarer Brutalität zerschlagen worden. Dann der Gedanke an das, was zuvor gewesen war, was Kati verlassen hatte, um ihr neues Leben zu beginnen, ihre Mutter, ihre Jugend – alles …
Die Tränen rannen zu Katis Mund, sie wischte sie ab. Robert suchte hilflos nach einem Taschentuch, wollte etwas sagen und wußte doch, daß er jetzt nichts tun konnte, daß es nur eines gab: still zu bleiben und bei ihr zu sein. Er hatte schon lange auf diese Reaktion gewartet. Nun kam sie. Und das war gut so …
Und dann drehte Kati ihm ihr nasses Gesicht mit den weit geöffneten glänzenden Augen zu. »O Robert … Ich benehme mich wie eine Blöde, nicht?«
Er schüttelte den Kopf.
»Tennhaff, weißt du, ich bin froh um dich … Und ich kann dir … ich kann dir noch nicht mal einen Kuß geben.« Sie lächelte sogar, lächelte unter Tränen: »Geht ja gar nicht – mit deiner Nase
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