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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Alternative. Die gibt es nicht. Auch nicht zum Beispiel die, den Inhalt der Info-Träger zu kopieren. Die Folgen würden schlimm sein, unabsehbar schlimm, Frau Folkert … Für Sie wie für Ihre Tochter wären diese Folgen nicht nur existenz-, sie wären lebensbedrohend …«
    Ein Knacken. Der Mann hatte aufgelegt.
    Tennhaff fand Paula Jakuschek nicht in der Küche, wie er vermutet hatte, sondern in einem der angebauten Vorratsräume. Sie stand auf einer Bockleiter und war dabei, Geschirrkartons zu öffnen und den Inhalt in den Regalen zu verstauen.
    »Da schau!« Sie hielt Tennhaff eine Tasse hin. »Hübsch, oder?«
    »Hm.« Auf der Tasse prangte in Blau und Gold ›GW‹.
    »Auch die Teller und Schüsseln sind so.«
    Tennhaff sah sich um. Außer der Tür gab es in dem kleinen Raum noch eine Durchreiche zur Küche. Das behagte ihm nicht. Drüben wurde noch gearbeitet.
    »Hast du einen Augenblick Zeit für mich, Paula?«
    »Für dich doch immer, scheen wie de bist, Robertchen.«
    »Gehen wir mal raus in den Speiseraum?«
    Sie plinkerte ihn aus ihren blaßblauen, von tausend Fältchen umgebenen Augen an. Dann ging sie voraus in den leeren großen Raum zu einem der Fenster an der Westseite. Sie war eine gedrungene Frau mit einem runden bräunlichen Gesicht und einem Busch wirren, unglaublich kräftigen Haares, den sie vergeblich mit einer schwarzen Schleife zu bändigen versuchte. Außerdem war Paula Jakuschek die einzige Hinterlassenschaft der ehemaligen Schloßbesitzer. Zur GW gehörte sie nicht, sie hatte keine Verwandte, keine Freunde im Dorf und genoß daher eine Art Gnadenbrot, das sich dadurch bezahlt machte, daß sie wie niemand anderer über die Winkel und Probleme des weitläufigen Baus Bescheid wußte. Paula kam überall herum, sah, roch, hörte alles und war, da sie die GW-Mitglieder als eine Art Marsmenschen betrachtete, die von Schönberg Besitz genommen hatten, für Tennhaff von unschätzbarem Wert.
    »Ein Sonnchen, o Gott, ein Sonnchen heute, was?« Paulas rechte Hand machte eine Bewegung. »Haste wieder Fragen? Willste spazieren?«
    »Hab ich. Aber Spaziergang ist nicht drin.«
    »So ist das hier: Man möchte und kriegt's nicht. Also?«
    »Der Pavillon«, sagte er. »Und Reto …«
    »Reto magst du nicht, was?«
    »Ich mag dich, Paula«, lächelte Tennhaff. »Das reicht.«
    »Soll ich dir sagen, warum du den nich' leiden kannst? Hier gibt's die einen, die wie Kinder sind. Tun alles, weil sie dran glauben … Der Reto nicht. Der glaubt überhaupt nichts.«
    »Du kennst doch den Pavillon?«
    »Was gibt's da schon zu kennen? Ich putze. Am schlimmsten sind die Fenster.«
    »Ist da eine Küche?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Aber ich weiß, daß Reto bei seinen Sitzungen Tee serviert.«
    Sie nickte. »Ja. Tut er. Aber er braucht keine Küche, der Reto. Den Tee bringt er mit. In 'ner Thermoskanne.«
    »Läßt er die manchmal stehen?«
    »Nie.«
    »Und die Tasse?«
    »Nimmt er auch wieder nach Hause. Wieso? Was haste eigentlich mit dem Tee?«
    Tennhaff schwieg. Man konnte von Reto Kolb halten, was man wollte, ein Idiot war er bestimmt nicht.
    Er mußte also einen anderen Weg finden, um an das Giftzeug heranzukommen … Und Giftzeug war es, darüber war sich Tennhaff nach allem, was Kati ihm gesagt hatte, klar. Nur was? Daß in der GW zur Leistungssteigerung, aber auch als ›Meditationshilfe‹ Drogen kursierten, war ihm längst bewußt, selbst Topitz hatte es bestätigt. Auch aus der Volksarmee hatte Tennhaff Erfahrungen. Von den Verhörspezialisten, sicher auch von der Stasi wurden Psycho-Drogen oder ein ›Wahrheits-Serum‹ als ›begleitende Maßnahme‹ empfohlen, Mittel, die die kritische Wahrnehmung und Beurteilung auf Null reduzierten, statt dessen aber die Verhörten in eine Art selig-dumpfe Gleichgültigkeit hüllte.
    Nur, manchmal klappte das nicht.
    Im Fall Toni zum Beispiel …
    Aber wieso, verdammt noch mal, brauchten sie hier so ein Teufelszeug?
    »Besuch!« rief Paula.
    »Wie?«
    »Guck doch. Siehst du nicht? Dort, über dem Rotkopf.«
    Sie griff nach seinem Arm. »Der Punkt. Und jetzt – du hörst es doch?«
    Die alte Frau, die die meisten im Haus wegen ihrer dicken Brillengläser für halb blind hielten, hatte den Hubschrauber noch vor Robert entdeckt. Sie hatte ihn nicht nur gesehen, sie hatte sogar das Rotorengeräusch vernommen. Noch war die Maschine nur ein schwarzer Punkt über den Tannenwipfeln, doch der Lärm schwoll an, und Robert konnte erkennen, daß die Maschine Kurs auf

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