Der Hexer - GK587 - Bücher, die der Satan schrieb
brodelnder Schaumteppich, der das kleine Boot immer wieder anhob und gegen die Kaimauer drückte. Die Planken waren glitschig vor Nässe, und als ich gebückt durch die niedrige Kajütentür trat, hob eine besonders mächtige Welle das Schiff unter meinen Füßen an, so daß ich um ein Haar kopfüber die Treppe herabgestürzt wäre.
Howard hatte bereits eine Sturmlaterne entzündet, als ich schwankend die schmale Treppe herunterkam. Er stand noch immer in Hut und Mantel da, triefend vor Nässe und sonderbar blaß in der rötlichen, flackernden Beleuchtung der Laterne, und als er sich aufatmend umwandte, glaubte ich für einen kurzen Moment einen fast gehetzten Ausdruck auf seinen Zügen zu erkennen. Aber er verschwand sofort, als er bemerkte, daß er nicht mehr allein war.
Ich zog es vor, nicht darauf einzugehen, sondern ging zu meiner Koje, streifte den durchweichten Mantel ab, schlüpfte aus Schuhen und Jacke und nahm eine Decke von meinem Bett, um mich hineinzuwickeln. Howard warf mir ein Handtuch in den Schoß, entzündete eine Zigarre und sah eine Weile schweigend zu, wie ich mit vor Kälte steifen Fingern versuchte, mein Haar trocken zu rubbeln. Es war eisig hier drinnen; mein Atem bildete kleine regelmäßige Dampfwölkchen vor meinem Gesicht, und in meinen Finger- und Zehenspitzen begann sich ein schmerzhaftes Prickeln breitzumachen.
Howard schwieg weiter, bis ich fertig war und eine zweite Decke über meine Schultern geworfen hatte. Nicht, daß es half. Im Gegenteil. Ich hatte das Gefühl, von innen heraus zu erstarren. Zudem bockte und zitterte das Boot so heftig unter meinen Füßen, daß mir langsam, aber unbarmherzig übel wurde.
»Reib dich richtig trocken«, sagte Howard. »Die Nacht wird verdammt kalt.«
»Ach?« machte ich. Seine Worte weckten einen Zorn in mir, den ich mir im ersten Moment selbst nicht erklären konnte. »Dann erklär mir bitte, warum wir auf diesem Kahn schlafen müssen, statt in einem geheizten Hotelzimmer.«
Howard setzte zu einer Antwort an, schüttelte aber dann bloß den Kopf und seufzte leise, und auch ich zwang mich gewaltsam zur Ruhe. Ich war gereizt; es hatte wenig Sinn, wenn ich mit Gewalt einen Streit vom Zaun brach. Zudem einen Streit, bei dem ich ohnehin den kürzeren ziehen würde.
»Rowlf macht uns einen Grog«, sagte Howard nach einer Weile. »Er wird dir guttun. Wie fühlst du dich?«
»Phantastisch«, antwortete ich, aber Howard ignorierte den beißenden Spott in meiner Stimme, nahm einen weiteren Zug aus seiner Zigarre und sah mich wieder mit dieser sonderbaren Mischung aus Sorge und Erleichterung an, mit der er mich schon im Haus von
Miß Winden betrachtet hatte.
»Wirklich?« fragte er.
»Es geht mir gut«, knurrte ich. »Außer, daß ich friere wie ein Schneider und daß mir gleich schlecht wird. Was soll die Fragerei?«
»Du weißt es wirklich nicht?« fragte Howard.
»Ich weiß überhaupt nichts«, antwortete ich scharf. »Aber ich habe das Gefühl, daß es allmählich Zeit für ein paar Antworten wird. Was war mit dem Mädchen los? Und wieso konnte ich ihr helfen?«
»Es war genauso, wie ich es Miß Winden gesagt habe«, antwortete Howard ernst. »Ihre Tochter war besessen. Und ich fürchte, die anderen Kranken, von denen Sean gesprochen hat, sind es auch.«
»Besessen?« Ich starrte ihn an, aber die spöttische Antwort, die mir auf der Zunge lag, kam nicht, und das Lachen, mit dem ich weitersprach, klang selbst in meinen eigenen Ohren unecht. »Erzähl mir nicht, daß sie von irgendwelchen Dämonen besessen sind, die ihr Unwesen treiben!«
Howard blieb ernst. »Dämonen?« wiederholte er, schüttelte den Kopf und nickte gleich darauf. »Vielleicht könnte man es wirklich so nennen. Du hast nichts gespürt, als du sie berührt hast?«
Seine Worte ließen mich zusammenfahren. Ich hatte es bisher krampfhaft vermieden, an die bizarren Bilder und Visionen zu denken, die ich gehabt hatte – oder vielleicht auch nur gehabt zu haben glaubte. Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich dies alles wirklich erlebt hatte. Ich war nicht einmal mehr sicher, ob ich überhaupt irgend etwas erlebt hatte. Aber ich ahnte, worauf Howard hinauswollte. Und die Vorstellung erschreckte mich.
»Du ... du meinst, es wäre ein Big Old One gewesen?« fragte ich.
»Vielleicht«, antwortete Howard. »Ich habe gehofft, von dir eine Antwort darauf zu bekommen. Was hast du gespürt?«
»Gespürt?« Ich schluckte. Ein bitterer Geschmack breitete sich auf meiner Zunge aus.
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