Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers
inne Sähne schmeißn solln«, drang Rowlfs Stimme in meine Gedanken.
Ich sah auf, starrte ihn einen Moment unverstehend an und fragte: »Wen?«
»Den Blechkopp«, antwortete er. »s’wird ne Menge Ärger gern, wenner gefunden wird. Wär besser gewesen, wir hättn verschwinden lassen.«
Ich nickte, zuckte gleich darauf mit den Achseln und sah demonstrativ aus dem Fenster. Natürlich hatte Rowlf recht. Es würde mehr als nur »Ärger« geben, wenn die menschengroße Puppe gefunden wurde und Madame Dupre ihre Aussage machte. Aber es war zu spät für solcherlei Überlegungen – und ich hatte auch keine Lust mehr, darüber nachzudenken. Eine Stadt mehr, in der es besser für mich war, mich nicht mehr blicken zu lassen, dachte ich. Was machte das schon? Allmählich begann ich mich daran zu gewöhnen, an jeden Ort nur einmal zurückzukehren.
»Wir sind da«, sagte Rowlf plötzlich. Ich schrak aus meinen Gedanken hoch, streckte die Hand nach der Türklinke aus und öffnete sie, kaum daß der Wagen angehalten hatte. Regen und ein Schwall eisiger Luft schlugen mir ins Gesicht, als ich auf die Straße hinabsprang. Weiter im Westen, über dem Zentrum der Stadt, wetterleuchtete das blaue Gleißen eines Gewitters. Sekunden später ertönte der erste, noch gedämpfte Donnerschlag.
Der Wagen fuhr weiter, nachdem Rowlf ausgestiegen war. Der Fahrer würde die beiden sonderbaren Gäste vergessen, die er mitten in der Nacht durch halb Paris kutschiert hatte, und sich am nächsten Morgen über das Bündel Geldscheine wundern, das in seiner Rocktasche war, dafür hatte ich gesorgt. Einen Moment lang wünschte ich mir, daß alle Probleme so leicht zu lösen wären – mit Geld und ein wenig Hokuspokus. Aber das würde wohl immer ein frommer Wunsch bleiben. Oder ein dummer; je nachdem.
Rowlf deutete auf einen winzigen Laden auf der gegenüberliegenden Straßenseite, dessen Fensterscheiben matt im grauen Licht der Dämmerung blinkten. »Dort.«
Seine Stimme klang gepreßt, und ich war sicher, daß es nicht nur die Müdigkeit war, die ich darin hörte. Einen ganz kurzen Moment lang zögerte er noch, dann ging er, schräg gegen den Wind und den Regen geneigt, über die Straße und blieb vor der Tür des Ladens stehen.
Ich folgte ihm. Die Kälte schien zuzunehmen, als ich neben Rowlf stehenblieb, und für einen Moment glaubte ich, ein helles metallisches Klirren unter dem Heulen des Windes zu hören. Erschrocken fuhr ich herum. Aber die Straße war leer.
»Was ist los?« fragte Rowlf alarmiert.
»Nichts«, antwortete ich. »Ich bin nervös, das ist alles.«
Rowlfs Blick sagte mir sehr deutlich, wie wenig er mir diese Erklärung abnahm. Aber er ging nicht weiter auf meine Worte ein, sondern wandte sich wieder dem Laden zu, streckte die Hand nach der Klinke aus und rüttelte prüfend daran.
Die Tür war offen.
Rowlf runzelte verwundert die Stirn, sah mich einen Herzschlag lang an und trat dann vollends in den Laden hinein. Ich folgte ihm, nicht, ohne vorher noch einen sichernden Blick auf die Straße zu werfen. Sie war noch immer leer.
Rowlf wartete, bis ich neben ihn getreten war, dann schob er die Tür vorsichtig wieder ins Schloß, bedeutete mir mit Gesten, ein Stück beiseite zu treten, und griff in die Tasche. Sekunden später glühte die gelbe Flamme eines Streichholzes auf und schuf eine flackernde Halbkugel aus Licht in der grauen Dämmerung, die den Laden erfüllte.
»Hallo?« machte Rowlf. »Is einer da?«
Er bekam keine Antwort. Das Streichholz brannte knisternd ab und erlosch, und Rowlf riß ein zweites an. »Is hier einer?« rief er noch einmal. »Kaspa – biste da?«
Sekundenlang herrschte Stille, dann klangen irgendwo in der Dunkelheit vor uns Schritte auf. Rowlfs improvisierte Fackel erlosch wieder, und die Schritte kamen näher, während er nach einem weiteren Zündhölzchen kramte. Es waren sehr schwere Schritte. Nicht die Schritte des Mannes, als den Rowlf mir Gaspard beschrieben hatte. Instinktiv wich ich ein wenig weiter in die Dunkelheit zurück und legte die Hand auf den Griff meines Degens. Nach der Nacht, die hinter uns lag, hatte ich keine sonderliche Lust auf neuerliche Überraschungen.
»Zum Teufel – da ist doch einer!« raunzte Rowlf. »Sin Sie das, Kaspa?«
»Wenn Sie Monsieur Gaspard meinen, mein Freund, dann lautet die Antwort eindeutig nein«, antwortete eine Stimme aus der Dunkelheit. Ich kannte diese Stimme. Aber ich wußte nicht, woher. Lautlos zog ich den Degen aus dem Gürtel.
Rowlf
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