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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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ausgesucht. Ich hatte auch Alternativen.«
    Ein Stückchen gingen sie schweigend nebeneinanderher, am Vergnügungspark vorbei, dessen Tore geschlossen waren, und dann ließen sie auch das Freiluftmuseum Skansen hinter sich.
    »Und wie geht’s Melvin?« Mikael sah sie an und schien froh zu sein, dass ihm ein neues Gesprächsthema eingefallen war.
    »Er war letzte Woche ein paar Tage lang krank, doch es war nichts Ernstes. Der übliche grippale Infekt aus dem Kindergarten.«
    »Ich habe gehört, dass das die allerschlimmsten sind. Beulenpest, Cholera und Kindergarteninfekte, in der Reihenfolge …«
    Sofia musste lachen. »Nein, mit den Erkältungen können wir leben, aber diese Magen-Darm-Infekte im Winter stehen sicher an nächster Stelle auf dieser Liste. Letztes Jahr hatte Melvin dreimal das Vergnügen und ich zweimal. Es traf jeden im Kindergarten. Und dann vergingen nur ein paar Wochen, und schon ging das mit den Läusen wieder los.«
    »Läuse? Machst du Witze?«
    »Leider nein. Ein paarmal im Jahr hängen sie im Kindergarten die Schilder raus.
Achtung, es sind wieder Läuse unterwegs!
Das heißt nach Hause marschieren und durchkämmen. Aber zum Glück hat erst einmal Melvin Läuse aufgegabelt, und ich bin verschont geblieben. Bislang.«
    »Ich dachte, Läuse gehören ins vorletzte Jahrhundert.«
    »Dabei sind wir heute so modern mit unseren Computern und Mikrowellen …« Sie lächelte, wurde aber schnell wieder ernst. »Wie geht es dir denn?«
    Immer wieder diese Frage. Mikael überlegte kurz. »Es geht auf und ab«, antwortete er so ehrlich wie möglich. »Ich denke, das ist schon ein Schritt nach vorn, auf jeden Fall ist es besser, als wenn es ständig schlechter wird.« Er grinste, aber Sofia blieb still. »An einem Abend habe ich mich mit Stellan getroffen«, erzählte er nach einer kurzen Pause. »Mein bester Freund, vielleicht erinnerst du dich an ihn, er war auch auf der Beerdigung. Blond, sonnengebräunt, etwas vernarbte Haut …«
    Sofia nickte. »Dann weiß ich, wer.«
    »Es ist sonderbar, wie viel Kraft das alles kostet. Ich bin am Tag danach kaum aus dem Bett gekommen.«
    »Wurde es spät?«
    »Kann man nicht sagen. Ich kann es gar nicht erklären, ich bin so schnell erschöpft, wenn ich versuche, etwas zu tun.«
    »Das ist doch kein Wunder.«
    »Nein, das sagen viele. Das sei der Schock, und das brauche Zeit, aber es fällt mir schwer, das anzunehmen. Jetzt sind schon ein paar Monate vergangen. Ich war es gewohnt, in Aktion zu sein, viel zu arbeiten, viele Menschen um mich zu haben. Jetzt sitze ich nur noch zu Hause. Manchmal gehe ich raus zum Joggen, drehe eine Runde zum Supermarkt, kaufe etwas zu essen, sehe fern …«
    »Ist das nicht in Ordnung, wenn es eine Zeitlang eben so ist?«
    »Schon … aber ich frage mich, wie lange das noch so gehen soll. Auf der einen Seite bin ich schrecklich müde, auf der anderen sehne ich mich danach, wieder zurückzukehren.«
    »Zurück zur Arbeit?«
    »Zurück ins Leben. Rebecka war diejenige, die sich das Leben genommen hat, manchmal habe ich das Gefühl, sie hat meines gleich mitgenommen.«
    »Bist du wütend auf sie?«
    »Manchmal. Und wie ist es mit dir?«
    »Ich weiß nicht. Wir standen uns ja nicht so nahe. Für mich ist jetzt die Einsicht am schlimmsten, dass wir das auch nicht mehr nachholen können. Wenn ich daran denke, kann ich schon wütend werden, dass sie uns diese Chance nicht gegeben hat. Und dass sie mir meine einzige Schwester genommen hat.« Sofia sah Mikael ins Gesicht. »Das klingt wahrscheinlich ziemlich blöd, oder? Als wäre die Rebecka, die nun gestorben ist, eine ganz fremde Person.«
    »Manchmal kommt es einem so vor. Und es ist fast ein Trost. Als sei es nicht meine Rebecka gewesen, die das getan hat. Es war eine andere.«
    »Ich verstehe. Aber ich weiß nicht, ob es gut ist, so zu denken.«
    »Warum?«
    »Weil sie es ja trotz allem war. Es war ihre Entscheidung. Vielleicht sollten wir es akzeptieren, dass dies auch eine ihrer Seiten war. Sonst wird alles so unglaublich schwer nachvollziehbar.«
    »Vielleicht.« Mikael verstummte, während sie anhielten, weil Travolta sein Revier an einem Baumstamm markierte. Mikael wunderte sich, wie schnell sie auf ernsthafte Themen zu sprechen kamen. Vielleicht brachte die Situation es mit sich? Oder lag es an Sofia, die so geradeaus war und schnell zur Sache kam?
    Sie schien das Wetter zu genießen, und er beobachtete aus dem Augenwinkel, dass sie manchmal sekundenlang mit geschlossenen

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