Der Himmel ueber Dem Boesen
Pullman?» Ingrid Sollars stand jetzt direkt vor ihm.
Bliss verschränkte die Arme. Merrily versuchte, seinen Blick auf sich zu ziehen; das war nicht fair.
«Kannten Sie Miss Pullman?», fragte Bliss.
«Sie hat manchmal am Wochenende für mich gearbeitet, ich hatte früher eine Reitschule. Dann fing sie an, mit Roddy Lodge auszugehen, und ich habe sie nicht mehr so oft gesehen.»
«Warum hat sie mit Roddy Schluss gemacht? Können Sie mir dazu etwas sagen?»
«Ich vermute, weil er etwas mit einer anderen Frau angefangen hatte.»
«Was übrigens kein Mensch verstanden hat», sagte Sam Hall. «Melanie war ein nettes Mädchen und hübsch, wohingegen diese andere Frau …» Er sah Ingrid Sollars an, lächelte und schüttelte den Kopf.
«Was denn?», fragte Bliss.
«Also, sie war schon gutaussehend, aber älter als er und … sie war eine Schlampe, wenn Sie’s genau wissen wollen.»
Ingrid Sollars starrte Sam Hall an, als hätte er schon viel zu viel gesagt.
«Und wer ist diese andere Frau?», fragte Bliss leichthin.
«Verdammt nochmal, Ingrid», sagte Sam Hall, «das kommt doch sowieso alles raus – warum sollen wir Zeit verschwenden? Ihr Name ist Lynsey Davies, Inspector. Wenn sie nicht bei Roddy ist, lebt sie drüben in Ross, da hat er seine, äh, Gefährtinnen meistens her.»
«Dort können wir Miss Davies also vermutlich im Moment finden, oder, Sir?»
«Vermutlich. Es gibt allerdings – schon gut!» Sam hob die Hände, um Ingrids wütenden Blick abzuwehren. «Kein Tratsch. Ich bleibe bei den Fakten. Ja, irgendwo in Ross. Ich persönlichhabe sie in den letzten Wochen nicht gesehen.» Er sah Bliss an und wandte dann den Kopf ab.
Ingrid Sollars ging zu einem Stuhl und drehte sich dann zu Bliss um. «Als Melanie Pullman verschwunden ist, fanden ein paar von uns, dass Sie – die Polizei – nicht gründlich genug nach ihr gesucht haben. Sie haben sie aufgegeben.»
«Ich glaube nicht, dass ‹aufgegeben› das richtige Wort ist», sagte Bliss. «Allerdings gibt es Hunderte von vermissten Erwachsenen und nicht genug Polizisten. Wir müssen Prioritäten setzen, und solange wir nicht glauben, dass jemand in unmittelbarer Gefahr ist, können wir nicht immer so viele Ressourcen zur Verfügung stellen, wie wir gerne würden. Allerdings … kann ich Ihnen sagen, dass ich sehr überrascht wäre, wenn es sich hier um die Leiche von Miss Pullman handelt. Und das nicht nur, weil es schon rund zwei Jahre her ist, dass sie verschwunden ist.»
«Oh.» Ingrid Sollars setzte sich mit ausdrucksloser Miene. «Danke.»
«Aber», sagte Bliss nachdenklich, «da Sie es erwähnen – angesichts der neuen Ereignisse sollte man die Umstände von Melanies Verschwinden wohl noch einmal unter die Lupe nehmen.»
«Einen Moment. Die Situation ist auch so schon angespannt genug –», sagte Fergus Young.
«Lassen Sie mich nur eine Frage stellen, Mr. Young. Wie lange war die Trennung von Roddy Lodge her, als Miss Pullman verschwunden ist? Ist es denkbar, dass sie schon
vorher
verschwand? Sie verstehen doch, was ich meine, oder?»
Sam Hall sagte: «Ich würde sagen, nein. Aber das Liebesleben von Roddy Lodge war zu dieser Zeit etwas unübersichtlich. Er scheint so eine Art verspätete Pubertät durchgemacht zu haben – als hätte er erst mit über dreißig entdeckt, was Sex ist. Es war ja praktisch keine Frau vor ihm sicher. Wobei ich mit
sicher
jetzt nicht meine …»
Fergus Young nickte bedauernd. «Sam hat schon recht, das meinte ich auch, als ich vorhin gesagt hab, Roddy ist wie ein großes Kind. Er hat den Frauen immer auf so offensichtliche, auf so … unreife Weise Avancen gemacht, dass wir vielleicht nicht einschätzen können, wie oft er … Sie wissen schon.»
«Aufhören!», rief Ingrid Sollars. «Dafür gibt es
über
haupt keine Beweise …»
Fergus wirkte verlegen. «Tut mir leid. Es stimmt schon, die meisten von uns sind noch nicht lange genug hier, um dazu eine zuverlässige Meinung zu haben.»
Er sah Miss Sollars an. «Sie sind ja hier geboren worden.»
«Und dazu erzogen, nicht zu tratschen, Mr. Young.»
«Also, ich bin ja auch hier geboren.» Sam Hall setzte sich auf einen Stuhl gegenüber von Bliss. «Und ich glaube, dass die berühmte Verschwiegenheit in dieser Gegend bei diesem Fall mehr schaden als nützen kann. Ich kenne die Lodge-Familie ganz gut. Zuverlässige, traditionsbewusste Bauern, die auf ihr Geld achten und regelmäßig in der Baptistenkirche waren, bevor sie
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