Der Himmel über der Heide (German Edition)
kratzbürstig.»
«Ich muss jetzt in die Gaststube.»
Mit diesen Worten schnappte sich Elli den Krug Milch und verließ die Küche.
Zurück blieb ein niedergeschlagener Carstensen. «Und weg ist sie …», sagte er kopfschüttelnd.
Kati trat näher und legte ihm wie zum Trost eine Hand auf den Arm. «Ich weiß auch nicht, warum. Aber Sie sind eben ein rotes Tuch für meine Großmutter.»
Carstensen winkte ab. «Tja, und daran wird sich auch wohl nichts mehr ändern.» Er zuckte mit den Schultern und wandte sich zum Gehen. «Also, macht’s gut, min Deerns!»
Nachdenklich sah Kati ihm hinterher. Sie wusste, dass Elli den Nachbarn nicht mochte, aber sie hatte noch nie erlebt, dass sie sich so unhöflich verhalten hatte. Das schroffe Benehmen ihrer Großmutter erstaunte sie sehr.
Plötzlich fiel Kati etwas ein, und kurzerhand lief sie dem alten Mann nach.
«Herzlichen Dank noch, Herr Carstensen!»
Er drehte sich um und sah sie fragend an. «Aber wofür denn, min Deern?», fragte er irritiert.
«Ich glaube, das wissen Sie ganz genau. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass auf dem Heidehof mal wieder ein großes Fest gefeiert wurde, so wie früher!»
Kati deutete auf das Brautpaar, das sich noch immer angeregt mit Dorothee am Auto unterhielt.
Carstensen winkte bescheiden ab, dann beugte er sich zu Kati vor und erklärte mit gedämpfter Stimme: «Auf der Veranda steht ein kleines Präsent. Tu mir doch den Gefallen und gib es deiner Großmutter.»
Katis Augen weiteten sich. Und als ihr Albert Carstensen zuzwinkerte, nickte sie und drückte kurz seine Hand. Mit einem Schmunzeln sah sie ihm hinterher, wie er sich wieder zu seinem Neffen und dessen Frau gesellte.
Tatsächlich entdeckte Kati dann in der Ecke auf der Veranda zwischen Hauswand und dem alten Fliederbaum den geflochtenen Korb, den Carstensen aus dem Kofferraum seines Autos geholt hatte. Der Inhalt war mit einem Küchentuch zugedeckt. Obenauf lag ein weißer, beschrifteter Umschlag. «Für Elisabeth» stand darauf.
Kati nahm den Korb und trug ihn in die Küche.
«Oma? Wo steckst du?», rief Kati.
Von Elli war nichts zu sehen.
«Sie wollte kurz in ihre Wohnung», erklärte Flo, die gerade im hinteren Teil der Küche an der Spüle beschäftigt war. «Hat irgendwas gemurmelt von ein paar Pillen, die sie heute Morgen vergessen hat.»
Kati schnappte sich den Korb und ging über die Veranda auf die andere Seite des Haupthauses zu Ellis Einliegerwohnung. Bevor sie eintrat, klopfte sie.
Als keine Antwort kam, öffnete Kati die Tür.
«Oma, guck mal!» Sie ging durch den schmalen Flur in die Wohnstube. «Da hat jemand was für dich abgegeben.»
«Was denn?» Abgelenkt kramte Elli in den Schubladen einer antiken Anrichte.
Mit ausgestreckten Armen hielt Kati ihr den Korb hin. Doch Elli schien sich nicht dafür zu interessieren. Erst als Kati den Korb auf einem Tischchen abstellte und an die Anrichte trat, sah die Großmutter auf.
«Du hast ein Geschenk bekommen», sagte Kati sanft und schob Elli zu dem kleinen Tisch. Sie platzierte sie direkt vor den Korb und deutete auf den Umschlag. «Und einen Brief!»
Irritiert nahm Elli den Umschlag und las: «Für Elisabeth». Dann drehte sie ihn um. Es stand kein Absender auf der Rückseite. Statt das Kuvert sofort zu öffnen, blickte sie auf den Korb und zog langsam das Küchentuch zur Seite: Der Korb war voller reifer, offenbar frisch geernteter Pflaumen.
Ungläubig schüttelte Elli den Kopf. «Was soll das?», murmelte sie.
«Mach den Brief auf! Dann erfährst du es vielleicht.»
«Und der ist wirklich für mich?», fragte Elli etwas verunsichert.
«Oma, da steht dein Name drauf, also wird der wohl für dich sein!», erklärte Kati lachend.
Elli ging zurück zu der alten Anrichte und nahm ein Messer aus einer der Schubladen.
Gespannt beobachtete Kati, wie ihre Großmutter ihre Lesebrille aufsetzte, den Umschlag aufschlitzte und den Brief auseinanderfaltete. Sie traute sich nicht, ihr über die Schulter zu sehen, sondern übte sich stattdessen in Geduld.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ Elli den Brief sinken. Doch da sie keine Anstalten machte, sich irgendwie zu äußern, fragte Kati: «Oma, was ist denn los? Nun sag doch mal was!»
Elli lächelte unsicher, dann reichte sie Kati den Brief. «Da, lies selbst!»
Kati konnte den Blick ihrer Großmutter nicht deuten. Sie nahm den Brief, setzte sich auf einen Stuhl und begann zu lesen.
Liebe Elli!
Da du dich beständig weigerst, mit mir zu reden oder
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