Der Himmel über der Heide (German Edition)
und Flamme.
Tatsächlich fiel ihnen bei dem gemeinsamen Rundgang auf, dass die meisten Möbelstücke dringend etwas Farbe nötig hatten. Auch die Bänke im Gastraum zeigten deutliche Abnutzungsspuren, und in einem der Gästezimmer entdeckten sie sogar einen kaputten Stuhl.
«Den müssen wir dringend leimen», sagte Kati, «sonst landet noch jemand sehr unsanft auf dem Boden.»
Sie erinnerte sich auch an den alten, dunkelgrünen Bauernschrank, der im Schuppen stand und der bestimmt ein echtes Schmuckstück war.
«Wenn man den Lack abschleift und neue Farbe aufträgt, macht der sicher einiges her.»
«Vielleicht könnten wir ihn in die Diele stellen», schlug Elli vor.
«Das wird aber einige Zeit dauern.» Kati überlegte, ob sie die vergilbten Ratgeber ihrer Mutter konsultieren sollte. «Mami wüsste sicher, wie und wo man am besten beginnt.»
«Du kannst ja erst mal mit einem Stück anfangen», sprach Elli ihrer Enkelin Mut zu. «Und wenn du dann ein bisschen Übung hast, wird dir das ruck, zuck von der Hand gehen. Du hast das Talent deiner Mutter geerbt, Kati. Da bin ich mir sicher.»
«Ich kann mir nach dem Abendessen ja mal diesen Stuhl hier vornehmen und sehen, wie weit ich komme.»
Elli nickte. «Und falls du noch Material fürs Restaurieren brauchst, gibt es das bestimmt bei Dittmers. Die führen jetzt auch Malerartikel.»
«Ach, den Laden gibt es noch?» Kati konnte sich undeutlich an das alt eingesessene Geschäft in Bispingen erinnern, das früher vor allem Haushaltswaren verkauft hatte.
«Ja, ja», sagte ihre Großmutter, und es klang fast ein bisschen stolz. «Es wird heute in dritter Generation weitergeführt!»
«Na, dann können die mich bestimmt bestens beraten.» Kati hob den Stuhl hoch. «Gleich morgen besorge ich dort Abbeize und Farbe. Wollen doch mal sehen, ob wir dem Heidehof nicht auch ein bisschen mehr inneren Glanz verleihen können.»
***
Am nächsten Sonntag ging Kati bereits um kurz nach 7 Uhr in die provisorische Werkstatt im Hühnerstall. Andi hatte ihr eine kleine Ecke frei geräumt, wo sie den kaputten Stuhl und einige Materialien deponiert hatte. Bei Dittmers war sie schnell fündig geworden: Abbeize, Farbe für die Grundierung, diverse Lacke und Pinsel sowie Schleifpapier hatte sie dort erstanden.
Sie war überrascht von der großen Auswahl gewesen. So viele Farben und Materialien hatte sie bei Dittmers gar nicht erwartet. Ohnehin war der Laden in ihrer Erinnerung viel kleiner. Doch auch in diesen Familienbetrieb war offensichtlich kräftig investiert worden. Leider war der Charme des Ladens, in dem Kati und Jule in Kindertagen immer eine Wundertüte hatten kaufen dürfen, durch den Umbau etwas verloren gegangen. Die Räume wirkten steriler, und alles war fein säuberlich sortiert und mit Strichcodes ausgezeichnet. Die Regale mit den Einzelstücken, den kitschigen Kaffeeservices und den bunten Gläserkollektionen hatten einer gewinnbringenderen Systematik weichen müssen.
Nur der sogenannte Hochzeitstisch war geblieben. Er stand noch immer an derselben Stelle, am rechten Rand des deutlich vergrößerten Schaufensters. Schon damals hatten Kati und ihre Schwester immer einen neugierigen Blick darauf geworfen, um festzustellen, welches Paar in der Gegend als Nächstes heiraten würde. Die Gepflogenheit wurde offensichtlich fortgeführt: Nach wie vor konnten sich die Verwandten und Bekannten aus den vorher vom Brautpaar ausgewählten Stücken ein passendes Geschenk aussuchen.
Kati kannte den Namen des Paares nicht, der da auf dem kleinen Schildchen stand, doch sie musste schmunzeln, weil das ausgesuchte Geschirr und Besteck auf einen etwas altbackenen Geschmack von Braut und Bräutigam schließen ließ.
Mit einigem Stolz musterte Kati jetzt den Stuhl, den sie gestern Abend noch voller Elan geleimt, abgeschliffen und vorgestrichen hatte. Tatsächlich war die Grundierfarbe schon getrocknet. Zufrieden öffnete sie die Dose mit dem Holzlack, der dem Stuhl die eigentliche Auffrischung geben würde. Anschließend würde sie die alte Schleifmaschine ihrer Mutter mit dem neugekauften Papier belegen. Das gute Ding tat noch immer seinen Dienst, obwohl es schon etliche Jahre auf dem Buckel und über 15 Jahre in einer Ecke des Schuppens gelegen hatte.
Kati nahm einen alten Kochlöffel zur Hand, den sie Elli abgeschwatzt hatte, und verrührte vorsichtig den Lack in einem alten Einmachglas.
Gerade als Kati den Pinsel eintauchen wollte, ging die Tür auf und der wuschelige Bobby
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