Der Himmel über der Heide (German Edition)
absolut nicht so gemeint.»
«Was ist denn los mit dir? Hast du noch mal mit ihm geredet?» Flo klang ehrlich besorgt.
«Ach, es geht doch gar nicht um Simon», sagte Kati und schüttelte verzweifelt den Kopf.
«Aber was ist dann passiert? Dein Dad? Du hast doch gesagt, es geht ihm besser.»
Kati nickte. Ja, das stimmte auch. Sogar gelacht hatten sie, als Kati vorhin am Bett ihres Vaters gesessen und von Pit und seinen kleineren und größeren Katastrophen berichtet hatte. Kati wollte ihrem Vater das Gefühl geben, dass er auf dem Heidehof zwar unersetzbar war, sie aber dennoch eigentlich alles im Griff hatten. Auf keinen Fall sollte er etwas von den Ideen zur Veränderung des Heidehofs mitbekommen. So hatte sie es mit Dorothee und Elli besprochen. Auch die Begegnung mit Andi Witthöft hatte sie ihrem Vater gegenüber lieber nicht erwähnt.
Kati sträubte sich auch, Flo davon zu erzählen. Unmöglich konnte sie ihr sagen, was sie in Wirklichkeit beschäftigte.
Kati bog auf die Bundesstraße ein und schwieg. Doch Flo schien immer noch eine Antwort oder zumindest eine Erklärung für Katis gereiztes Verhalten zu erwarten.
«Also?», fragte sie.
Kati macht eine wegwerfende Handbewegung. «Viel wichtiger ist doch die Frage, wie wir das Beste aus deinem verlängerten Wochenende machen. Wir könnten heute ins Freibad gehen oder –»
«Sag mal, willst du mich verarschen?» Flo richtete sich im Beifahrersitz auf.
Mit einem gequälten Lächeln sah Kati ihre Freundin an. Offenbar war ihr Ausweichmanöver absolut fehlgeschlagen. Flo würde nicht lockerlassen.
«Du bist doch total durch den Wind», wetterte Flo ungehalten. «Du kämpfst mit den Tränen und faselst was von Freibad? Glaubst du, ich raffe das nicht? Ich bin gekommen, um für dich da zu sein, verdammt noch mal!»
Das saß. Kati musste schwer schlucken und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten. Sie konnte nichts dagegen tun.
Wie ferngesteuert nahm sie den Fuß vom Gaspedal und bog an der nächsten Abzweigung auf eine Nebenstraße ab. Sie fuhr noch etwa 200 Meter weiter, bis es rechts in einen kleinen Feldweg ging. Sie fuhr hinein und kam in der Nähe eines von blühenden Heidebüschen umgebenen Schafstalles an einer einsamen Stelle zum Stehen.
Um sie herum war es vollkommen still. Nur ein paar Bienen summten in der warmen Luft. Kati öffnete das Fenster und ließ die laue Luft herein. Während sie in dem Anblick der ihr so vertrauten Landschaft versank, realisierte sie irgendwann, wie Flo sie von der Seite aufmerksam beobachtete.
Kati drehte ihr das Gesicht zu, lächelte bemüht und sagte: «Nun starr mich nicht so an!»
«Wieso sagst du mir nicht, was los ist?», fragte Flo. Und als sie keine Antwort erhielt, stupste sie Kati leicht am Arm und bohrte erneut nach: «Was ist passiert, dass du so von der Rolle bist?»
«Dir kann man wirklich nichts vormachen, wie?» Kati schloss für einen Moment die Augen. Dann holte sie tief Luft. «Gestern bin ich in Bispingen gewesen … in meinem alten Stammcafé. Früher habe ich dort stundenlang mit Jule gesessen und …» Sie stockte. «Jedenfalls habe ich dort gestern … einen alten Bekannten getroffen. Andi. Das ist der Typ, mit dem wir neulich fast den Unfall gehabt hätten.»
Wissend sah Flo sie an. «Der war doch ganz schnuckelig.»
Kati starrte sie mit großen Augen an. «Er … Er jobbt dort, was ich nicht wusste. Na ja, und plötzlich steht er vor mir.»
Als Kati nicht weitersprach, fragte Flo: «Und was hat dieser Kerl dir getan, dass er dich so aus der Fassung bringen kann?»
Plötzlich liefen Kati die Tränen übers Gesicht. Sie konnte sie nicht mehr zurückhalten. Und als Flo ihren Sicherheitsgurt löste, sich zu ihr hinüberbeugte und sie in den Arm nahm, war es endgültig um sie geschehen. Kati schluchzte hemmungslos und ließ all ihrer Wut und Trauer freien Lauf.
Als sie sich schließlich wieder etwas beruhigte und mit einem Taschentuch von Flo die Nase geschnäuzt hatte, begann sie stockend und mit leiser Stimme zu reden. Sie sprach von Jule und von Andi und von der schrecklichen Nacht, in der ihre Schwester gestorben war. Zunächst zögerlich und immer wieder von kleinen Pausen unterbrochen, erzählte sie ihrer Freundin endlich von den tragischen Ereignissen der Vergangenheit und den schrecklichen Umständen, die zu Jules Tod geführt hatten. Die ganze Zeit über hielt Flo Katis Hand und hörte aufmerksam zu.
Als Kati geendet hatte, war sie vollkommen fertig. Und auch
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