Der Himmel über der Heide (German Edition)
Tränen ausbrechen. Gleichzeitig spürte Kati jedoch auch zum ersten Mal eine seltsame Nähe zu Dorothee. Sie seufzte.
«Ich glaube Volker jedes Wort. Der sitzt schon lange im Gemeinderat und hätte gar keinen Grund, sich irgendwas zusammenzuspinnen.» Sie sprach leise und ohne Dorothees Hand loszulassen. «Er hat mich angerufen, weil er es wahnsinnig findet, alles abzureißen.»
«Dein Vater darf auf keinen Fall etwas davon erfahren!» Flehend sah Dorothee Kati an.
«Natürlich nicht. Aber wir müssen Elli Bescheid sagen, damit sie von diesen irren Plänen nicht durch Dritte erfährt. Wer weiß, welche Kreise das Gerücht zieht …» Sie fuhr sich übers Kinn. «Und dann müssen wir uns unbedingt diesen Lehmann vorknöpfen. Du hast doch seine Nummer, oder?»
Dorothee schwieg und starrte vor sich hin. «Weißt du, was ich nicht verstehe?», murmelte sie und richtete sich in ihrem Stuhl auf. «Hinrich hat vor einigen Jahren mal beim Amt für Denkmalschutz nachgefragt, ob er das alte Backhaus beziehungsweise einen Teil des Treppenspeichers abreißen dürfte. Das wurde ausdrücklich untersagt. Und nun soll das mit einem Mal erlaubt sein?»
«Vielleicht kann uns Volker sagen, wer dieses zweifelhafte Gutachten erstellt hat.»
Dorothee war einverstanden. «Da ist doch irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugegangen. Kann uns dein Bekannter vielleicht die Unterlagen zeigen?»
«Keine Ahnung.» Kati nahm ihr Handy aus der Schürzentasche und wählte Volkers Nummer. «Auf jeden Fall kann er uns mehr zu den Hintergründen sagen.»
***
Volker Kruse nahm das Gespräch sofort entgegen und versprach, gleich am nächsten Vormittag vorbeizukommen. Er würde sich bis dahin auch noch genauer überlegen, wie man in dieser verflixten Angelegenheit verfahren könnte.
Dann beschloss Kati in die Küche zu gehen, um Elli zu holen. Später würden sie gemeinsam Frank Lehmann anrufen. Unter keinen Umständen wollten sie sich noch länger von ihm vorführen lassen.
Zum ersten Mal hatte Kati das Gefühl, mit ihrer Stiefmutter wirklich an einem Strang zu ziehen.
Sie ging durch die Gaststube in die Küche, wo Pit und Flo gerade ihre Köpfe gemeinsam über einen Topf beugten und Elli damit beschäftigt war, Teig zu rühren. Als sie das besorgte Gesicht ihrer Enkelin registrierte, blickte sie verwundert auf.
«Na, wer hat dich denn geärgert?»
Auch Flo und Pit drehten sich jetzt zu Kati um.
«Was ist los?», fragte Flo. «War das eben dein Date am Telefon? Er will dich schon heute sehen, und jetzt weißt du nicht, was du anziehen sollst?»
Anstatt auf den ironischen Kommentar ihrer Freundin einzugehen, wandte sich Kati direkt an ihre Großmutter. «Können wir dich einen Augenblick sprechen?»
«Um Himmels willen, was ist denn los?», fragte Elli alarmiert.
«Am besten, wir gehen zu Dorothee ins Büro.»
Elli zuckte mit den Schultern und streifte sich den Teig von den Fingern. Dann wusch sie sich die Hände, zog die mit Mehl bestäubte Kittelschürze aus und hängte sie an den Haken neben der Küchentür. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie sich unwohl fühlte. Die Situation war ihr nicht geheuer. Trotzdem ging sie voraus.
Als Kati ihr gerade folgen wollte, hielt Flo sie zurück.
«Was ist los? Ist was mit deinem Vater?»
Kati sah sie stirnrunzelnd an. «Nein, nein.» Sie lächelte schwach. Am liebsten hätte sie ihrer Freundin alles brühwarm erzählt.
«Ich mach mich mal im Kühlraum nützlich.» Pit legte seine Schürze ab und wollte die Küche verlassen.
Kati winkte ab. «Bleib ruhig, dich betrifft das Ganze ja letztlich genauso.» Sie war ihm dennoch dankbar für seine sensible Art. «Es gibt Ärger mit dem Investor … Er hat ziemlich Mist gebaut und uns hintergangen.»
Und dann berichtete sie mit knappen Worten, wie anders die Situation inzwischen aussah und wie sehr sie sich alle von Frank Lehmann hatten täuschen lassen.
«Dann ist also nicht nur der Verkauf geplatzt, sondern auch dein Date», resümierte Flo schließlich.
Kati schnaubte. «Pah! Wenn mir dieser Typ noch einmal vor die Augen kommt, kratze ich sie ihm aus.»
Doch tief in ihrem Innersten tobte nicht nur Wut auf Frank Lehmann, sondern sie fühlte sich auch verletzt. Schon wieder hatte sie sich von den leeren Sprüchen eines Mannes blenden lassen.
«Jetzt muss ich aber zu Elli. Sie weiß noch nichts …» Seufzend drehte sie sich um und eilte aus der Küche und durch die Diele zu Dorothees Arbeitszimmer.
Als sie näher kam, sah Kati, dass
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