Der Himmel über der Heide (German Edition)
Kopf und ging zum Fenster. Einen Moment lang schwieg sie und sah einfach nur hinaus in den Garten. Dann seufzte sie und erklärte: «Ich weiß nicht, worüber ich mich mehr ärgern soll. Über deine unverschämte Art oder über diesen Volker Kruse, der so einen Unfug verbreitet!»
Vielleicht wollte sie Zeit gewinnen, um sich eine neue Lügengeschichte zurechtzulegen, dachte Kati. Aber diesmal würde sie damit nicht durchkommen.
Kati war fest entschlossen, die Geschicke des Hofes von nun an selbst in die Hand zu nehmen. Sie würde sich nicht länger blenden lassen, weder von Dorothee noch von einem schleimigen Investor.
«Eure Pläne sind aufgeflogen, und ich schwöre dir, wenn du und dein schmieriger Geliebter –»
«Jetzt reicht es, Kati!» Ruckartig drehte Dorothee sich um. «Du weißt gar nichts. Frank Lehmann –»
«Lehmann ist ein skrupelloses … Schwein», fiel Kati ihr ins Wort. «Er hat längst Kontakt mit der Denkmalschutzbehörde aufgenommen und einen Gutachter beauftragt. Und das kann ja wohl unmöglich ohne dein Wissen passiert sein!»
«Was? Aber ich … Ich verstehe nicht.» Dorothee schüttelte erneut ungläubig den Kopf. «Du musst mir glauben, Kati! Ich weiß auch nicht mehr als das, was Lehmann uns in seinem Konzept vorgestellt hat.»
«Und es kommt noch dicker», fuhr Kati fort. «Das Gutachten besagt, dass hier alles rettungslos marode ist! Lehmann will alles abreißen! Der Abriss ist sogar schon genehmigt. Und von alldem willst du nichts gewusst haben? Auch nicht von dem Antrag auf Bau eines Golfplatzes und dem geplanten Hotelkomplex? Für wie dämlich hältst du mich eigentlich?»
Ihre Augen blitzten vor Zorn. «Der Bau des Golfplatzes ist beantragt, Dorothee! Weißt du eigentlich, was das bedeutet?»
Dorothee hatte sich wieder umgedreht. Ihr Gesicht war leichenblass. Zwanghaft schüttelte sie weiterhin den Kopf, dann öffnete sie den Mund, um etwas zu sagen, doch es kam nur ein heiseres Krächzen heraus. Ihr stand die nackte Panik im Gesicht.
«Kati, bitte … glaub mir!» Sie fuhr sich nervös durch die Haare. «Von einem Golfplatz oder einem neuen Hotel war nie die Rede. Und schon gar nicht davon, die Gebäude abzureißen!»
Kati wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. So hatte sie ihre Stiefmutter noch nie erlebt. Nach einer längeren Pause fragte sie leise: «Ist das wirklich wahr?»
Sie wollte es so gerne glauben. Angestrengt dachte sie nach. War es wirklich möglich, dass Dorothee sich hatte ebenso blenden lassen wie sie selbst? Hatte Frank Lehmann sie alle gelinkt?
Dorothee nickte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie senkte langsam den Blick. Kraftlos ließ sie sich zurück auf ihren Stuhl sinken. «Wenn das stimmt, was dein Volker Kruse da sagt …» Dorothee stockte. Mit ernster Stimme fuhr sie schließlich fort: «… dann haben wir ein Riesenproblem!»
«Hast du denn unterschrieben?»
«Ich … ich habe ihm einen … einen Auftrag für ein Gutachten erteilt. Ich dachte, es sei zur … zur Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Heidehofs. Aber ich hatte ja keine Ahnung, dass …»
Verzweifelt versuchte Dorothee, die Fassung zu bewahren und ihre Angst zu überspielen. Sie wühlte in den Stapeln auf ihrem Schreibtisch und zog schließlich einen Ordner hervor.
«Hier, hier muss das Schreiben sein.»
Hektisch blätterte sie in den Unterlagen. Sie wirkte vollkommen hilflos, und plötzlich tat sie Kati leid.
«So wie es aussieht», Kati atmete tief durch, «… ist Lehmann wohl nicht der, für den wir ihn gehalten haben», erklärte sie bemüht ruhig. «Er lässt uns in dem Glauben, den Heidehof zu erhalten, hat in Wahrheit aber ganz andere Pläne.»
Sie ging um den Schreibtisch herum, wo Dorothee in blindem Aktionismus alle Papiere durcheinanderwirbelte. Behutsam legte sie ihrer Stiefmutter eine Hand auf die Schulter.
«Lass gut sein.»
Dorothee hielt in der Bewegung inne und griff nach Katis Hand. Mit feuchten Augen blickte sie zu ihr hinauf.
«Ach, Kati, was machen wir denn jetzt?», fragte sie, und es klang ehrlich verzweifelt. «Ich wollte doch nur, dass dein Vater nicht mehr so viel arbeitet. Ich wollte, dass er kürzer tritt und sich nicht mehr so viele Sorgen machen muss. Und jetzt habe ich alles noch viel schlimmer gemacht.»
Die beiden schwiegen eine Zeitlang.
Kati war verunsichert. Sie wusste nicht mehr, was sie noch glauben sollte. Ihre stets so kontrollierte Stiefmutter sah aus, als würde sie jeden Moment in
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