Der Himmel über New York (German Edition)
mein Dad erzählt hat. Und noch nicht meine spießige Vermieterin. Das Lächeln auf ihrem Gesicht ist künstlich, wie mit Lack fixiert, aber ihr Brautschleier bauscht sich im Wind, als wollte er gleich abheben. Der Bräutigam hat eine breite Haarsträhne über seine beginnende Glatze gekämmt. Er strahlt wie einer eben strahlt, der sonst nicht viel zu lachen hat und endlich das große Los zieht.
»Stress mit Anne? Wieso?«
»Sie behandelt mich, als wäre ich zwölf. Ich darf mir das nicht gefallen lassen.«
»Nein, darfst du nicht.«
Ich bin gespannt, wie lang ich das Spielchen noch weitertreiben kann. Etwas sagen und darauf warten, dass Max mir wie ein lebendes Echo antwortet. Fairer wäre es, reinen Tisch zu machen.
Was für ein feiger Gedanke, mich hinter einer Mail zu verstecken.
Es hilft nichts, ich muss ihm sagen, was ich fühle, und zwar sofort. Ohne Rücksicht auf Verluste. Frei sein. Träumen dürfen ohne schlechtes Gewissen. Egal, was die Zukunft bringt, für mich und diesen anderen Mann, der mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Obwohl ich nicht mal seinen Namen weiß.
»Du, Max?«
Er antwortet nicht. Jetzt oder nie.
»Ich glaube, ich muss Schluss machen.«
»Wieso, musst du gleich wieder weg?«
Nein, will ich antworten, du hast mich nicht verstanden, ich liebe dich nicht mehr, oder was man eben so sagt. Keine Ahnung, wie das geht. Ich habe mich noch nie getrennt.
In dem Moment höre ich jemanden im Flur. Dann steht Anne im Türrahmen und wischt sich ihre Hände an der rosa Schürze ab.
»Wir müssen uns mal unterhalten.«
Ich glaube, Anne hat mich gerettet. Beinahe hätte ich einen großen Fehler gemacht. Auf einmal fällt mir ein, wie Max mein Plüschpferd aus meinem Bettkasten befreit und auf mein Kopfkissen gesetzt hat. »Da unten ist es viel zu dunkel, da kann es gar nicht auf dich aufpassen.« So jemanden schickt man doch nicht in die Wüste. Einfach so. Ohne echten Grund.
Oder?
»Max«, wiederhole ich mechanisch, »ich muss Schluss machen, weil … Anne ist gerade gekommen, wir müssen da noch was klären.«
»Mach’s gut, Jenny«, sagt Max, »und vergiss nicht, ich lieb dich.«
»Ich dich auch.«
»Wer war das? Dein boyfriend ?«, fragt Anne.
Das geht sie gar nichts an.
»Er fehlt dir sicher sehr, oder?«, fährt sie fort. »Ich kann mich gut erinnern, wie das ist. Wenn man die ganze Nacht wach bleibt, weil man sich so viel zu erzählen hat, weil man sich nicht vorstellen kann, dass es jemals langweilig wird miteinander.«
Das nun auch wieder nicht. »Ja. Doch. Er ist nett.«
Ich stecke das Handy ein, greife nach der Saftflasche und gehe auf die Küchentür zu. Anne bleibt stehen, die Hand in den Türrahmen gestützt wie eine Schranke.
»Jenny, ich war noch nicht fertig. Bitte, nimm das ernst. Wenn du schon unbedingt alleine losziehen musst, dann muss ich wissen, wo du hingehst. New York ist gefährlich. Viel zu gefährlich für eine junge Frau. Wenn dir etwas passieren würde, wie sollte ich das deinen Eltern erklären?«
» Don’t worry , Mrs Koslowsky «, antworte ich. Sie hat mich gebeten, sie beim Vornamen zu nennen, aber mit ihrem Nachnamen fühle ich mich wohler. Als wäre sie keine Bekannte, sondern eher eine neugierige Pensionswirtin, von der ich gar nichts weiß. Es klingt so, als würde ich sie siezen. Wenn es das im Englischen gäbe. Dann überlege ich, was »volljährig« heißt, aber es fällt mir nicht ein, und so füge ich noch hinzu: »Ich bin schließlich kein Kind mehr.«
Sie legt die Stirn in Falten, seufzt tief und macht mir den Weg frei. »Ich werde mit deinem Vater sprechen müssen.«
»Bitte. Nur zu.«
Beinahe bin ich gespannt, was er zu unserem Streit sagt. Und ob er in dieser Frau noch etwas wiedererkennt von der Schönen aus dem Greyhound-Bus, die ihn von New York nach San Francisco mit ihren Liebeskummer-Geschichten unterhalten hat.
Am liebsten würde ich Anne fragen, ob sie ihren Batikrock noch hat.
Als ich an ihr vorbeigehe, sieht sie mich noch einmal an. Nicht böse, eher prüfend.
»Jenny«, sagt sie, »wenn ich nicht einmal weiß, wann ich mir um dich Sorgen machen muss, dann bin ich mir nicht sicher, ob du weiter hier wohnen kannst.«
5.
E s gibt zwei verschiedene Arten von Freundschaft.
Nummer eins ist das Modell »Seelenverwandtschaft«. Zwei Mädchen stellen fest, dass sie im Kino an denselben Stellen lachen und vom Einkaufen mit den gleichen T-Shirts zurückkommen, und schon haben sie eine gemeinsame Basis .
Nummer zwei ist
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