Der Hoteldetektiv
war…«
Schön war es gewesen, und gut war es gewesen, und ich fühlte mich
allen so nahe, als gehörte ich noch zu ihnen.
Wir besoffen uns nicht oder schwelgten etwa in bier- oder wein-
seligen Erinnerungen.
Nein, ganz und gar nicht. Wir tranken Kaffee, wie in alten Zeiten, bevor wir auf Streife gingen, und wir teilten uns Butterbrote, die inzwischen von Ehefrauen, sorgfältig in Alufolie eingepackt, mit-gegeben wurden.
Die alten Kollegen bewunderten mein handgenähtes englisches
Jackett ohne Neid, sie waren wißbegierig, wie sah es draußen in der Welt aus, in der ich jetzt lebte?
Ich gestehe, diese Welt war manchmal kälter und manchmal trau-
riger als ihre.
Ich war drauf und dran, Jinny vorzuschlagen, daß wir in Aachen
bleiben sollten.
Ich war drauf und dran zu sagen, bescheide dich, Junge, du
brauchst kein großes Gehalt.
Ein Freund, Heinrich, rechnete mir genau vor, wie ich es an-
stel en könnte, zu einem Eigenheim zu kommen, sogar in einer gu-
ten Gegend. Mit einem kleinen Teich vor der Tür und Birken
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drumherum und ein paar Bänken für alte Leute und einem Kin-
derspielplatz.
Mann, o Mann, wie gut das klang.
Mann, o Mann, wie ich mich plötzlich danach sehnte.
Aber noch war es nicht soweit.
Noch hatten wir ein paar Jahre Zeit, Jinny und ich. Und ich sag-
te: »Sei mir nicht böse, Heinrich, aber ich muß mir noch etwas den Wind um die Nase wehen lassen.«
Und er lachte und sagte: »Recht hast du, die Zeit ist nicht unend-
lich.«
Damit ging ich nach Hause.
Meine Mutter öffnete mir die Tür, ging auf Zehenspitzen in die
Küche, und ich roch den vertrauten Duft nach der typischen
Aachener Fleischsuppe.
Ich schob, wie früher, Lauch und Sellerie an den Tellerrand. Ma-
ma schaute mir lächelnd zu, was sie früher nie getan hatte.
»Jinny wollte nicht ins Hotel«, flüsterte sie. »Jinny schläft schon in deinem Bett.«
Wir schauten uns lange an, dann sagte Mama: »Halte sie gut fest,
deine Johanna. Du hast die richtige Wahl getroffen. Laßt euch nie-
mals von dem dummen Gerede verleiten, daß jeder sich selbst ver-
wirklichen muß. Denke niemals ich, sondern immer wir.«
Ich gestehe, vor lauter Rührung über so viel Verständnis aß ich
sogar Lauch und Sellerie.
Und dann machte ich mich ganz schmal neben Jinny in mei-
nem Bett, sah im Schein der Laterne meine alten, selbstgemalten
Bilder an der Wand, von Wüsten, von hohen Bergen von all den
Weiten, die ich schon gesehen hatte.
Dann nahm ich Jinny in meine Arme, und wir schliefen, als seien
wir nicht zwei, sondern ein Mensch. Und ich erinnere mich, irgend-
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wann hörte ich sogar, daß unser Atem eins war.
Am Tag darauf traf Sheramans Brief ein.
Als ich an die Gehälter meiner Kollegen dachte, wurde mir mul-
mig bei meiner Gehaltserhöhung; ich fand sie unverdient. Ab sofort würde ich – würden wir –, da es unserem Naturell entspräche, wie
›fliegende Holländer‹ für die Sheraman-Kette tätig sein können,
wenn wir es wollten.
Jinny sagte: »Wenn du es willst, mache ich mit.«
Mama lächelte und nickte nur.
Ich grinste gewiß dümmlich und sagte: »Na ja, ist wohl Schicksal,
wie?«
Die beiden mir liebsten Frauen tauschten einen verständnisin-
nigen Blick. Sie schienen mich besser oder zumindest genauso gut
wie ich mich selbst zu kennen.
Berlin – meine Traumstadt
ie Eröffnung eines der schönsten Hotels, die Sheraman besit-
Dzen sollte, stand bevor. Und ausgerechnet in Berlin, von dem
meine Mutter mir aus ihren ›Glanzjahren‹ als Schauspielerin so viel erzählt hatte; blutjung war sie damals gewesen, und ich konnte mir genau vorstellen, wie sie ausgesehen haben mußte, nach ihrem ersten Engagement – nämlich wie ein Kind, das zum ersten Mal am
Christbaum Wunderkerzen sprühen sieht.
Jinny und ich wurden – von der weitentfernten Hand Sheramans
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dirigiert – zur Eröffnungsparty eingeladen.
Mit Mutters Hilfe fand Jinny ein traumhaftes weißes Abendkleid,
mit blauen Pailletten bestickt.
Und ich tat einen Schritt, der uns normalerweise nicht erlaubt ist; ich telegrafierte an Sheraman, daß ich gern auch meine Mutter mitnehmen würde. Die Antwort kam postwendend: »Wunsch gewährt,
beste Grüße an Ihre Mutter und Jinny.«
Vor dem Abflug von Düsseldorf blieb uns noch Zeit, ein Glas
Champagner auf uns und Sheraman zu trinken. Mama und Jinny
zogen alle Blicke auf sich, der Frauen und erst recht der Männer;
sie trugen schlichte Leinenkostüme, aber kostbare
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