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Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman

Titel: Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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auf einmal und so flüssig hatte er Ulf noch nie reden hören. Also steckte doch mehr in ihm als gedacht. Er war nicht bloß ein gefügiger Bauernjunge. Und anscheinend hatten ihm die Monate auf der Schule in Metz gutgetan.
    „Vermisst du deine Mutter?“
    Über die blauen Augen Ulfs huschte ein Schatten. Der Junge drückte dem Pferd die Fersen in die Flanken und galoppierte an, aber nicht so rasch, dass es wie kopflose Flucht aussah.
    Sie waren in einem großen Bogen so weit geritten, dass sie in der Senke vor ihnen, durch die der Mühlbach floss, die Reste von Theodos Hof sehen konnten. Wittiges dachte mit einigem Unbehagen an Chramm, denn dieser zeigte nur mäßiges Interesse am Wiederaufbau des Hofs. Ein paar behelfmäßige, wacklige Hütten aus Stroh und Flechtwerk dienten als Notunterkünfte und Geräteschuppen, aber der Bau selbst ließ sich eher schleppend an. Wittiges war mit Pontus einige Male hinübergeritten und beide waren jedesmal entsetzt über den Gestank nach Asche und kaltem Rauch, der ihnen entgegenschlug.
    „Die Asche und am besten auch noch die oberste Erdschicht müssten entfernt werden, um den Gestank gründlich zu beseitigen“, sagte Pontus, „aber dafür haben wir keine Zeit, die Feldarbeit geht vor. Dennoch es ist ein Fluch mit diesem Gestank.“
    Wittiges verstand, was er sagen wollte. Die Leute quälte die Erinnerung an den Brand. Der ätzende Geruch beschwor eine Aura von Unheil herauf, der sich niemand entziehen konnte. Aus einem blühenden Hof war eine Stätte der Vernichtung geworden, da half auch keine christliche Segnung der Hütten. Die Leute wussten es besser. Wo der Hauch des Todes geweht hatte, konnte kein Leben mehr gedeihen.
    „Am besten suchen wir uns eine andere Stelle und errichten dort einen neuen Hof“, murmelte Wittiges und fragte sich, warum sich Viola hier noch nie hatte blicken lassen. Von der Geburt hatte sie sich längst erholt. Sie hatte Zwillinge geboren, einen Jungen und ein Mädchen, beide vollkommen gesund und lebenshungrig vom ersten Augenblick an. Die Ammen, die aus den Dörfern geholt worden waren, behaupteten, die Kinder saugten sie aus und ließen kaum etwas für den eigenen Nachwuchs übrig.
    Chramm war überglücklich, aber ansonsten saß er nur herum. Statt sich um den Wiederaufbau seines Hofs zu kümmern, hatte er einen erfahrenen Knecht zum Verwalter bestellt, der die Feldarbeiten und die Errichtung einer Scheune beaufsichtigte. Gelegentlich raffte er sich auf und arbeitete wenigstens im Kontor an den Steuerunterlagen.
    Da Viola ihre Kinder bei den Ammen gut aufgehoben wusste, hatte sie sich in die Stoffherstellung vertieft und mit Aletha zusammen den Filz vervollkommnet. Das Ergebnis ihrer Bemühungen konnte sich sehen lassen: ein Stoff für die verschiedensten Einsatzmöglichkeiten, mal dünner und geschmeidiger, mal nahezu brettsteif, aber immer in leuchtenden, kaum verblassenden Farben.
    Zu Wittiges’ übergroßer Freude hatte sich Alethas Zustand wider Erwarten gebessert. Sie hatte sogar Gewicht zugelegt und wirkte nicht mehr so erbarmungswürdig abgezehrt. Zwar stand sie hin und wieder nachts auf und nahm etwas von dem Mittel ein und wirkte am nächsten Tag müde und ein wenig abwesend, aber dazwischen gab es Tage, an denen die Krankheit beinahe in Vergessenheit geriet. Wittiges kam es gelegentlich so vor, als wolle Gott ihm zeigen, wie unschätzbar reich das Leben im Frieden sein konnte.
    Als er an diesem Tag mit Ulf vom Ausritt zurückkehrte, erwartete ihn eine unangenehme Überraschung. Der Stallhof wimmelte von fremden Knechten, die unter den Argusaugen schwer bewaffneter Krieger eisenbeschlagene Truhen und Kästen von ein paar Karren abluden.
    Waffen!, dachte Wittiges sofort.
    War die kurze Friedensphase vorbei? Stand der nächste Krieg unmittelbar bevor, und sollte casa alba als geheimes Waffenarsenal genutzt werden? Beim Krieg kam es manchmal darauf an, den ersten Schlag völlig unerwartet zu führen. Oder was sonst sollte das Treiben bedeuten?
    Da fiel ihm Wandalenus ein. Steckte er dahinter?
    Noch hatte niemand Wittiges aufgehalten, auch einige seiner eigenen Knechte halfen beim Abladen. Es war eine dieser ungeklärten Situationen, in denen sich die Nackenhaare aufstellen und der Verstand darum ringt, die Lage zu begreifen. Wittiges sah, wie Ulf blass wurde. Also ahnte auch er die unbestimmte Gefahr.
    „Bring die Pferde auf die Weide“, sagte er leise zu ihm, nachdem er abgestiegen war. „Und kehr nicht zurück. Geh hintenherum

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