Der Hüter des Schwertes
daran, dass diese Männer überhaupt etwas erreichen konnten. Stattdessen ließ sie Barrett, ihren Königlichen Magier, in ihren privaten Audienzsaal rufen, wo sie sich sicher sein konnte, dass kein von Herzog Gello bezahlter Diener ihm melden würde, was dort besprochen wurde …
»Was könnt Ihr mir verraten?«, fragte sie ihn augenblicklich. Von all den Männern, die ihr dienten – oder vorgaben, ihr zu dienen –, vertraute sie nur diesem.
Anders als der typische Magier war Barrett relativ jung, etwa Mitte dreißig; er trug seine langen dunklen Haare zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und keinen Bart; die anderen Magier dagegen liebten Bärte. Anstelle von Roben in merkwürdigen Farben trug er lieber Hemd und Hosen, die allerdings in prächtigem Violett und Grün, und sein Zauberstock war aus einfachem Holz gefertigt, ohne den Federschmuck und die komischen Knochen, die so oft an traditionellen Zauberstäben hingen. Und dass der Stock so schmucklos war, sprach für sich. Nur jemand mit überragendem Talent für die magischen Künste konnte die Gewohnheiten seiner Gilde derart verachten.
»Es waren zweifelsohne Gellos Männer, meine Königin«, seufzte Barrett. »Gewöhnliche Diebe hätten sich nicht so leicht Eintritt verschaffen, geschweige denn so viele Wachmänner der Königsgarde lautlos umbringen können. Und wer sonst würde so viel riskieren?«
»Zweifellos. Also, was würde geschehen, wenn ich ihn beschuldige und verlange, dass er den Erzbischof von Norstalos um eine Entscheidung Aroarils in dieser Sache bittet?«
Barrett sah sie schockiert an. »Den Herzog des Mordes und Diebstahls der größten Kostbarkeit des Landes beschuldigen? Wir könnten es versuchen, aber wir haben keine Mittel, ihn dazu zu zwingen, den Erzbischof um ein Urteil zu bitten. Seine Weigerung würde vielleicht bei den einfachen Leuten für einige Zweifel sorgen, aber die Adligen würden es anders sehen. Der mächtigste Edelmann im ganzen Land wird wie ein gewöhnlicher Verbrecher behandelt, ohne dass es auch nur ein einziges Beweisstück gibt? Sie werden lautstark fordern, dass Gello die Macht ergreift.«
Merren seufzte. »Das hatte ich befürchtet. Was hat er wohl mit dem Drachenschwert vor?«
Barrett dachte einen Augenblick nach. »Er muss es außer Landes bringen. Wenn das Schwert verschwunden ist, wird das Volk in Angst geraten und der Adel das Schlimmste befürchten. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis der Herzog behauptet, er sei gebeten worden, mit seinem Heer den Frieden im Land zu wahren. Dann werden seine Männer das Drachenschwert in einem anderen Land ›finden‹ und ihm so einen guten Grund geben, in dieses Land einzumarschieren. Dann wird er zwar noch nicht dem Namen nach, aber doch faktisch König sein, und wenn das Land sich im Krieg befindet, wer sollte dann noch einschreiten, wenn seine handzahmen Adligen danach verlangen, dass er zum Herrscher geweiht wird? Wen kümmert es dann noch, dass er das Drachenschwert nicht ziehen kann?«
Merren stand abrupt auf und entfernte sich ein paar Schritte vom Tisch; sie kehrte Barrett den Rücken zu. Der Zauberer wusste auch so, dass sie kurz davor stand, die Fassung zu verlieren – schließlich bedeutete diese Entwicklung das Ende all dessen, wofür sie die letzten drei Jahre gearbeitet hatten. Als sie sich ihm wieder zuwandte, war ihr Gesicht teilnahmslos und ihre Stimme kalt.
»Als Nächstes wird er den Palast unter seine Kontrolle bringen. Er wird die Königsgarde auflösen, weil sie sich als unfähig erwiesen habe, das Drachenschwert zu beschützen. Er wird die Männer in ihr altes Regiment zurückschicken und sie durch Soldaten ersetzen, die nur ihm treu ergeben sind«, stellte sie fest.
»Das würde ich auch sagen, meine Königin«, gab Barrett zu.
»Dann stehe ich kurz davor, eine Gefangene zu werden, und Gello wird sicherstellen, dass mich niemand besuchen wird, der mir helfen könnte, ihn aufzuhalten.«
Abermals konnte Barrett sie nicht anlügen. »So wird es aller Wahrscheinlichkeit nach kommen, meine Königin.«
»Ich will, dass Ihr jetzt geht, solange Ihr noch könnt.«
Barrett war entsetzt. »Meine Königin! Ich werde nie von Eurer Seite weichen! Ich habe geschworen, Euch zu dienen, solange ich atme oder noch ein Funke Magie in mir ist!«
Merren schenkte ihm die Andeutung eines Lächelns. »Ich weiß. Wenn ich nur der Hälfte meiner Adligen halb so viel vertrauen würde, wie ich Euch vertraue, dann wäre es nie so weit gekommen. Aber Ihr
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